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Arrivederci amore, ciao

Arrivederci amore, ciao

Titel: Arrivederci amore, ciao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Carlotto
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nicht zu viel, um nicht geschwätzig und aufdringlich zu wirken. Mit ein paar geschickten Fragen fand ich heraus, dass es für sie nicht besonders gut lief. Genau das hatte ich hören wollen. Mich erregte die Vorstellung herauszufinden, wie weit sie sich für ein bisschen gutes Geld erniedrigen lassen würde. Irgendwann, sie erzählte gerade ein paar Anekdoten von einer Reise nach Wien, unterbrach ich sie. Ich neigte mich vor und flüsterte ihr eine Zahl ins Ohr. Dann fragte ich sie, ob sie bereit wäre, etwas Bestimmtes mitzumachen. Sie tat empört, aber ich konnte ihr am Gesicht ansehen, dass sie schon beschlossen hatte, es zu tun. So spielte ich ein paar Monate lang mit ihrem Selbstwertgefühl. Mehr als einmal hatte sie Tränen in den Augen, wenn ich ihr das Geld gab. Eines Nachts fragte sie mich, wie ich so widerlich sein konnte. Dann ging sie. War auch besser so. Ich hatte es selber satt, außerdem ging die Geschichte ganz schön ins Geld. Aber ihre Frage machte mich nachdenklich. Sie hatte recht, ich war widerlich, ein Mistkerl, wie der Priester gesagt hatte. Deswegen schämte ich mich aber kein bisschen. Es war mir zwar bewusst, aber es tat mir wirklich gut, Frauen auf diese Weise zu unterwerfen. Es half mir zu überleben. Meine Vergangenheit zu ertragen, die Schikanen meines Chefs und die Scheißatmosphäre im Lokal. Im Grunde war das alles ein Tauschhandel, der beiden Seiten zugutekam. Ich war nicht immer so gewesen, aber die Erfahrungen, die ich gemacht hatte, hatten mich verändert. Tiefgreifend. Ich konnte spüren, dass etwas in mir zerbrochen war. Irgend so ein Psycho-Arsch hätte vielleicht gesagt, der Knast hatte mich innerlich aus dem Gleichgewicht gebracht. Im Grunde war das Verhältnis zwischen Wachen und Insassen nicht so anders als meines zu Flora oder der Witwe. Vielleicht war es auch schon früher passiert. In Paris oder in Südamerika. Aber ich hatte keine Lust, allzu viel darüber nachzugrübeln. Für mich war San Vittore ein großer, unzusammenhängender Haufen von Erinnerungsbruchstücken, Geräuschen und Gerüchen. Mit einiger Konzentration hätte ich das alles im Gedächtnis vernünftig ordnen können. Aber ich hatte Angst, daran zu zerbrechen. Es war noch nicht lange genug her. Einen Sinn in meinem Leben, eine mögliche Zukunft konnte ich nur erkennen, indem ich mich immer wieder in Extremsituationen brachte. Ich war gern ein Mistkerl. Endlich hatte ich die Möglichkeit, zu den Gewinnern zu gehören.
     
    Es wurde Sommer. Das Geschäft lief immer lebhafter, ich hatte noch keine Gelegenheit gefunden, mich abzusetzen, ohne den Boss zu kränken. Eines Tages sagte der Barkeeper, ich hätte Besuch. Ich erkannte den Mann von hinten. Zu oft hatte ich ihn den Wäschekarren durch den Flur von Bau sechs in San Vittore schieben sehen. Er hieß Francesco Casu, genannt Ciccio Formaggio, denn sein sardischer Nachname bedeutete tatsächlich »Käse«. Nach Sardinien fuhr er aber nur im Sommer, seine Großeltern besuchen. Sonst lebte er in Mailand, wo er auch geboren war. Auch ihm hatten die Außerparlamentarischen das Gehirn gewaschen, auch er hatte ein paarmal tapfer Riesenblödsinn gebaut, dann hatte er sich schnappen lassen und als Kronzeuge ausgesagt. Ich hatte keinerlei Respekt vor diesem Typen, er war ein absoluter Loser und ich hoffte, dass er nicht die ganze Reise gemacht hatte, um mich wegen eines Jobs anzubetteln.
    Aber ich irrte mich. Er war es, der mir einen Job anbot. Einen Raubüberfall. Eine Milliarde Lire. Mindestens.
    Ich sah ihm direkt in die Augen. »Wieso kommst du ausgerechnet zu mir?«
    Er breitete die Arme aus. »Ich habe zwar den Tipp bekommen, aber ich habe keine Ahnung, wie man so was durchzieht. An dich habe ich wegen deiner Erfahrungen bei der Guerilla gedacht. Du kannst sicher eine militärische Operation planen.«
    »Wer hat dir den Tipp gegeben?«
    »Er arbeitet bei einem privaten Sicherheitsdienst.«
    »Die singen als Erste.«
    Er senkte die Stimme. »Wenn es ans Teilen geht, legen wir ihn um. Dann springt für alle mehr raus.«
    »Wer weiß sonst noch von der Sache?«
    »Der Typ, von dem ich den Tipp habe, und du, sonst niemand.«
    »Das Ziel?«
    »Ein Geldtransport in der Provinz Varese. Jeden Samstagabend fährt er bei einem Einkaufszentrum vor, um die Wocheneinnahmen abzuholen, pünktlich wie die Schweizer Eisenbahn. Zwei Männer steigen aus, holen das Geld aus der Geldklappe der Hauptkasse und verschwinden wieder.«
    »Kommt das hin von wegen eine Milliarde

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