Arrivederci amore, ciao
machte. Wenn du allein und mittellos bist, wirst du zur leichten Beute. So wie sie. Aber das würde mir nie passieren, mein Leben sollte anders aussehen, ich würde mich im Alter auf keinen Fall in so einer Situation befinden. Diese dumme Frau war nicht vorausschauend gewesen und hatte ihre Karten schlecht eingesetzt, allzu lange hatte sie die Rolle der Witwe vom großen Boss gespielt. Aber die Leute vergessen schnell, und so war sie immer tiefer gesunken, bis sie unausweichlich im Abgrund gelandet war. Jetzt fehlte nur noch ein unverdienter, grausamer Tod, und für den würde ich sehr bald sorgen. Ich ging in mein Zimmer und warf die Geldsäcke, die Pistole und die Lupara aufs Bett. Da spürte ich jemanden hinter mir. Ich drehte mich langsam um und blickte der Hausherrin in die Augen. Sie trug ein schwarzes Kostüm, Nylonstrümpfe und hochhackige Lackschuhe. Ihr Haar war zu einem schlichten Knoten gebunden, das Gesicht perfekt geschminkt. Zum ersten Mal sah sie aus wie eine wirkliche Dame, nicht wie eine alte Schlampe.
»Willst du ausgehen?«, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf und deutete auf die Säcke. »Ich habe ferngesehen. Mir war die ganze Zeit klar, dass du irgendwas vorbereitest und ich eine unbequeme Zeugin bin.« Sie zog sich die Manschetten ihrer Seidenbluse zurecht. »Ich war einmal eine elegante Frau, und wie eine elegante Frau möchte ich sterben.«
Ich betrachtete sie weiter, wortlos. Mein Schweigen bestätigte ihren Verdacht, aber es wäre vergeblich gewesen, sie beruhigen zu wollen. Dass sie nicht geflohen war, zeigte ihre Bereitschaft, ihrem Mann ins Jenseits zu folgen, und auch, dass ich es sein sollte, der sie dahin brachte.
»Keine Sorge, nicht heute Abend.«
Die Witwe nickte. Sie setzte sich mit anmutig zusammengelegten Beinen aufs Bett und zündete sich eine Zigarette an. Langsam streichelte sie über die Säcke. »Als mein Mann noch lebte, ließ er mich nach den Überfällen immer das Geld zählen. Ich musste mir dazu die Fingernägel dunkelrot lackieren, mit einem Nagellack von Chanel, und er setzte sich in einen Sessel und sah mir zu, wie ich mit den Banknotenbündeln hantierte. Und hinterher schliefen wir miteinander. Während er in mir war, roch er an meinen Fingern den Duft des Geldes. Dann machte er Karriere und schickte andere, die für ihn die Banken überfielen. Er dehnte das Geschäft aus, Drogen, Glücksspiel, Geldwäsche, und von da an hatte er auch andere Frauen. Ich spazierte mit Pelz und Juwelen durch Mailand, wie eine Prinzessin, aber ich schlief allein. Ich habe nie aufgehört, ihn zu lieben, ich gehöre zu den Frauen, die nur einen einzigen Mann im Leben lieben, und seit sie ihn mir umgebracht haben, bin ich eben ›die Witwe‹. Für immer.«
Ich konnte mich an den Tod ihres Mannes erinnern. Der Boss befand sich im Hof des Hochsicherheitsgefängnisses von Cuneo, als ihn eine Gruppe von Killern der Camorra umringte und mit Messern auf ihn losging. Als Zeichen ihrer Verachtung schnitten sie ihm das Herz aus dem Leib und warfen es in den Staub.
»Nach der Beerdigung«, erzählte sie melancholisch, »machten mir ein paar von den neuen Bossen lange den Hof. Nur um die Frau vom Alten zu vögeln. Ein gefahrloses Vergnügen, etwas für Feiglinge, aber ich habe sein Andenken geehrt und bin lieber untergegangen, als da mitzuspielen. Dann bist du aufgetaucht. Durch dich habe ich begriffen, dass es einfach demütigend ist, so weiterzuleben. Ich habe keine Angst zu sterben, mein Grab ist schon lange bereit. Neben meinem Mann. Das Einzige, worum ich dich bitte, ist, dass du mich nicht unnötig leiden lässt und dafür sorgst, dass ich elegant bin, wenn sie mich finden, so wie jetzt. Die Zeitungen sollen nicht schreiben, dass ich gestorben bin wie eine Pennerin.«
Ich lächelte sie an. »Keine Sorge, du wirst wunderschön sein«, log ich. Mein Plan für sie sah anders aus. Dann wechselte ich das Thema. »Ich bin müde, zähl du das Geld und teil es durch zwei.«
»Da sind ja nicht viele übrig geblieben. Wirkliche Gentleman-Gangster.«
Ich ging unter die Dusche, den Gestank von Tod und Angst abwaschen, der mir in Hirn und Kleidung hing. Langsam entspannte ich mich und fühlte mich zufrieden. Zwei Bankkonten und Milliardär. Nicht schlecht für einen, der mit Aussicht auf Lebenslänglich aus Mittelamerika zurückgekommen ist. Endlich war ich reich und konnte mir nach all den Mühen das Leben aufbauen, auf das ich ein Anrecht hatte. Auch das Verhalten der Witwe trug zu meinem
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