Arsen und Apfelwein
lächelte dünn. »Kurze Zeit später fiel uns auf, dass immer derselbe Wagen vor oder in der Nähe der Botschaft parkte und der Fahrer sie offensichtlich beobachtete. Ein Verhalten, das in Ländern wie dem meinen sofortigen Alarm auslöst. Parken ist jedoch nicht strafbar.« Er machte einen Moment Pause und trank einen Schluck Kaffee. »Wir überlegten natürlich, was der Junge hier wollen könnte. Ein Terrorist würde sich kaum so offensichtlich verhalten. Dann kamen wir darauf.«
Jenny merkte, dass sie die Luft anhielt. Langsam atmete sie aus.
Er fuhr fort. »Auch wenn ihn zuerst kriminelle Absichten hierher geführt hatten, geblieben ist er aus Gründen des Herzens.«
So etwas hatte Jenny sich schon gedacht. »Wie haben Sie das herausgefunden?«
»Er sprach einen Wachmann an. Eines Abends rauchte einer unserer Wachleute vor der Tür eine Zigarette, während er auf eine Lieferung wartete. Der Junge, Duprais, sprach ihn an und erkundigte sich nach einer jungen Dienerin. Das Geheimnis war gelöst. Ob ihm klar war, dass er sich mit dieser Frage als Dieb enttarnt hatte, weiß ich nicht. Uns lag nicht daran, ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Unser Land möchte jedwedes Aufsehen vermeiden. Wir warteten noch einige Zeit, ob er aufgeben würde, dann ließen wir die Dienerin wegbringen.«
»Wohin?«
»In einen befreundeten Haushalt. Soviel ich weiß, ist sie dort heute noch. Irgendwann verschwand der Junge dann.«
»Wer ist sie?«
Die Miene des Botschafters wurde ausdruckslos. »Ich kenne nur die Diener, die direkt für mich arbeiten. Sie war eine Küchenmagd. Ich habe sie nie gesehen. In unserer Kultur sind die Bereiche des täglichen Lebens streng getrennt.«
»Wer stellt das Personal ein?«
»Um das Hauspersonal kümmert sich meine Frau.«
Jenny zögerte. Sie erinnerte sich an Rabiahs Schilderung. Der Botschafter verstand ihr Zögern richtig. »Möchten Sie mit meiner Frau sprechen?«
»Wäre das möglich?«
Er nickte. »Natürlich.« Dann stand er auf, trat an den Schreibtisch und nahm ein Telefon auf. Er sagte ein paar Worte in einer fremden Sprache. Dann trat er wieder zu Jenny. »Haben Sie sonst noch Fragen?«
Sie überlegte hektisch. Wie gerne hätte sie alles durchdacht und den Botschafter dann noch einmal befragt. Doch eine zweite Möglichkeit würde es voraussichtlich nicht geben.
In diesem Moment klopfte es und die Frau des Botschafters trat ein. Zu Jennys Verwunderung verbeugte sie sich kurz vor ihrem Mann und blieb dann abwartend vor dem Tisch stehen. Da der Botschafter ebenfalls stehen geblieben war, erhob sich auch Jenny.
»Dies ist Kommissarin Becker von der deutschen Polizei. Bitte beantworte ihr einige Fragen.«
Die Frau starrte sie abweisend an. Sie war ganz in Schwarz gekleidet, mit einem Schleier, der nur das Oval ihres Gesichtes freiließ. Früher mochte sie eine Schönheit gewesen sein, doch tiefe Falten hatten sich in ihr Gesicht gegraben. Ihre Mundwinkel waren nach unten verzogen und alles an ihr strömte Ablehnung aus.
Jenny warf einen Blick auf den Botschafter, der seine Frau mit seltsamem Blick betrachtete. Dann sah sie die Frau an. »Sie erinnern sich sicher an den jungen Mann, der im letzten Winter des Öfteren vor der Botschaft parkte. Ihr Mann sagte mir, er habe sich in eine Dienerin verliebt.«
Die Frau nickte kurz und abgehackt.
»Können Sie mir mehr dazu sagen? Wer war die Dienerin? Was hatte sie für eine Funktion hier im Haus?«
Als sie endlich sprach, war ihre Stimme keine Überraschung. Ihr fehlte jedwede Wärme und sie sparte sich alle Höflichkeit. »Küchenhilfe. Sie taugte nicht viel.«
»Wo kam sie her?«
»Wir haben sie gekauft in unserer Heimat. Von Eltern.«
»Gekauft?« Jenny war nicht in der Lage, ihr Unbehagen zu verbergen.
»In unserem Land so üblich. Eltern haben kein Geld und verkaufen ihre Kinder in die Dienerschaft. Haben sich froh geschätzt, in so gute Haus zu kommen.«
Jenny bezweifelte, dass das Mädchen genau so gedacht hatte. »Hat sie von dem Jungen gesprochen? Sie kann ihn nur einmal gesehen haben?«
Endlich war eine Emotion zu sehen. Ihre Augen sprühten vor Abscheu. »Hätte nie passieren dürfen. Gesprochen? Wir sprechen nicht mit niedrigste Dienerin. Sie kennen unsere Sitten nicht.«
»Sie haben sie weggegeben? Wohin?«
»Geschäftshaushalt. Haben sie aufgenommen. War sehr großzügig. Hat nie gut gearbeitet.«
»Und da ist sie noch?«
Sie nickte.
»Danke, das war alles.«
Die Frau drehte sich um und verließ grußlos das
Weitere Kostenlose Bücher