Arsen und Apfelwein
herein und zog sich Handschuhe und Mütze aus. »Ich war bei der Burschenschaft«, erklärte er auf Jennys fragenden Blick. »Ich habe den Leiter heute Morgen telefonisch erreicht. War doch in deinem Sinn, oder?«
»Sicher, Sascha. Was hast du erfahren?«
»Michael Strom ist seit zwei Jahren in der Verbindung und hat weder Marc Duprais noch von Schaubert außer bei offiziellen Feiern dort gesehen. Weihnachten war er in Begleitung seines Vaters und eines Geschäftsfreundes anwesend.«
»Da hat er wohl seinem Vater gegenüber den Schein gewahrt. Wer war der Geschäftsfreund?«
»An den Namen konnte er sich nicht erinnern, aber es handelte sich um einen Farbigen.«
Das Telefon klingelte. Logo meldete sich und gab den Hörer an Jenny weiter. »Duprais«, bedeutete er ihr flüsternd.
Bevor sie sich richtig melden konnte, hörte sie schon die ärgerliche Stimme von Duprais. »Frau Becker, Sie wollten mich doch auf dem Laufenden halten. Es kann wohl nicht angehen, dass Sie den Mörder meines Sohnes immer noch nicht gefunden haben!«
»Wir tun, was wir können«, antwortete sie kühl. »Schwierig, wenn man so wenig über die Lebensumstände des Opfers weiß.«
»Soll das jetzt ein Vorwurf sein? Ich glaube nicht, dass Sie unseren Lebensstil beurteilen können!«
»Das liegt mir auch fern. Ich habe nur Tatsachen angesprochen.«
»Sie müssen doch mittlerweile mehr wissen!«
»Sie können mir gerne mehr über das Leben Ihres Sohnes erzählen!«
Duprais merkte, wann er verloren hatte. »Ich kann Sie nur noch einmal um Eile bitten. Wir wollen Deutschland baldmöglichst verlassen!« Damit legte er auf.
»Warum hat er’s mit der Abreise so eilig?« Jenny rieb sich die Stirn. Erst Mittag und sie hatte schon wieder Kopfschmerzen. Sie griff in die Schreibtischschublade und suchte eine Kopfschmerztablette. Dann griff sie zum Telefon.
Ramona Wiesner kam nach dem fünften Klingeln ans Telefon, doch war es offensichtlich, dass Jenny sie geweckt hatte. »Warum verdient eine Physikstudentin ihren Lebensunterhalt im Milieu?«, fragte Jenny geradeheraus.
Frau Wiesner schien nicht überrascht. »Hat ja lange gedauert. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?«
»Ich würde sagen, einiges. Warum hat Marc Duprais Sie wirklich gebucht?«
»Das müssten Sie schon ihn fragen. Keine Ahnung.«
»Das glaube ich Ihnen nicht. Seit wann waren Sie Mitglied bei Divinitus? Von Anfang an?«
Am anderen Ende war es einen Moment still. »Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden.«
»Ich glaube, Sie haben für Marc spioniert. Nachdem er die Botschaften ausgeraubt hatte, musste er neue Ziele aussuchen. Mit Ihren Kontakten haben Sie ihm sicher helfen können. Ich bin mir nur noch nicht sicher, ob Sie Mittäterin waren oder unbewusst Informationen geliefert haben.«
»Das muss ich mir nicht anhören, ich lege jetzt auf.«
»Tun Sie das, aber Sie werden bald wieder von mir hören!«
Ramona Wiesner legte kommentarlos auf. »Ist ja toll gelaufen«, murmelte Jenny missmutig und begann, ihren Schreibtisch aufzuräumen. Als sie den obersten Aktenstapel zur Seite schob, fand sie darunter einen gelben Zettel.
Aufgebracht hielt sie ihn hoch. »Wann hat der Lange angerufen und um Rückruf gebeten? Wer weiß, wie lange der Zettel schon hier unter meinen Akten liegt!«
Logo knallte seine Tasse auf den Tisch. »Also jetzt ist es aber mal gut. Können wir was dafür, dass du keine Ordnung auf deinem Schreibtisch halten kannst? Von uns hat bestimmt niemand den Zettel hingelegt.«
Jenny wollte auffahren, ließ sich aber dann zurücksinken. Sie rieb sich die Stirn.
»Natürlich, entschuldige. Der Fall geht mir an die Nieren. Überall laufen wir gegen Wände. Dann haben wir endlich einen Hinweis und er verschwindet ausgerechnet auf meinem Schreibtisch.«
Logo nickte. »Was steht denn nun drauf?«
Jenny entspannte sich etwas. Sie warf einen Seitenblick auf Sascha, der sichtlich erschüttert aussah. »Sascha, tut mir echt leid.«
Er nickte und räusperte sich. »Klar. Schon gut.«
Aber nichts war gut. Wie oft hatte sie sich in den letzten Wochen bei einem der beiden entschuldigen müssen? Definitiv zu oft. Das musste aufhören. Nur weil es ihr selbst nicht gut ging, durfte sie nicht wahllos um sich schlagen und ihre Kollegen verletzen. In Zukunft würde sie das nicht mehr zulassen.
Sie glättete den Zettel. »Er ist von Julius Lange, dem Personenschützer. Er bittet um Rückruf mit dem Vermerk dringend .«
»Vielleicht hat ihn der Nachtdienst
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