Arsen und Apfelwein
Paketboten gehandelt haben, der zu der Zeit in der Straße ausgeliefert hatte.
Im Präsidium packte Jenny die Sachen der jungen Frau aus und durchsuchte sorgfältig jede Tasche. »Nichts«, meinte sie zu Sascha. »Bringst du die Sachen bitte rüber in die Kriminaltechnik? Und frag gleich, was sie sonst haben.«
Jenny erstattete Staatsanwalt Dreher Bericht, da Biederkopf außer Haus war. Dreher zeigte sich bestürzt. »Die Sache nimmt langsam ungeahnte Dimensionen an. Die Fälle hängen doch sicher zusammen? Zeigen Ihre Ermittlungen denn irgendwelche Ergebnisse?« Das endlich ließ er freundlicherweise weg, es klang jedoch unterschwellig durch.
Gerne hätte sie ihm von ihrem Besuch in der Botschaft erzählt, das hätte jedoch weiteren Ärger provoziert. Sie wollte sich zuerst eine geschicktere Methode ausdenken, dem Staatsanwalt beizubiegen, dass sie sich über sein Verbot hinweggesetzt hatte.
»Wir kommen voran«, meinte sie deshalb lapidar, »ich halte Sie auf dem Laufenden.«
Bei Biederkopf wäre sie nicht so einfach davongekommen. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und überlegte. Wer hatte ein Motiv, Ramona Wiesner umzubringen? Wusste sie etwas über den Mord an Marc Duprais? Offensichtlich war sie in seine illegalen Aktivitäten verstrickt. Hoffentlich kam sie durch.
Sascha kam zur Tür herein und hielt eine Tüte hoch. »Handschuhfach.«
»Dacht ich’s mir doch«, meinte Jenny, »gib her.« Sie zog sich Einmalhandschuhe an, öffnete die Tüte und zog ein dickes Notizbuch heraus. Schnell schlug sie die heutige Seite des Kalenderteils auf. »Eine Eintragung für zwölf Uhr«, meinte sie stirnrunzelnd. »Aber nur Anfangsbuchstaben. R. D.«
Sascha beugte sich vor. »Mehr steht da nicht?«
Jenny blätterte zurück. »Nein. Sie trägt die meisten Termine mit Hilfe von Abkürzungen ein. Verständlich bei ihrem Beruf.«
»Gibt’s auch ein Adressenverzeichnis?«
»Wie zu erwarten auch hier fast nur Abkürzungen. Nur ein paar Namen sind ausgeschrieben. Hinter R. D. steht eine Nummer.« Sie griff schon nach dem Telefon. Gespannt wartete sie, als das Freizeichen ertönte. »Duprais?«, meldete sich eine tiefe Stimme. Jenny zögerte verblüfft.
»Hallo?«, erklang es ärgerlich.
Jenny räusperte sich. »Kommissarin Becker hier. Ich würde gerne noch mal mit Ihnen sprechen. Wäre es Ihnen recht, wenn wir in einer Stunde bei Ihnen wären?«
»Wenn es sein muss. Ich hoffe, Sie haben Neuigkeiten für mich?«
»Die haben wir allerdings. Bis nachher.«
Sie legte auf und sah nachdenklich zu Sascha. »Steh ich grad auf der Leitung? Warum sollte Duprais die Wiesner besuchen? Oder umbringen?«
Sascha kratzte sich am Kopf. »Schwer vorstellbar, dass sie mit ihm heißen Apfelwein trinkt.«
»Ihre Telefonverbindungen werden überprüft?«
»Es wurde kein Handy gefunden. Vielleicht hat der Täter das auch mitgenommen.«
Als Logo zurückkam, wurde ihm die Aufgabe übertragen, die restlichen Telefonbucheinträge zu überprüfen. Jenny und Sascha machten sich auf den Weg nach Kronberg. Es schneite wieder und die Straßen waren überfüllt. Endlich fuhren sie in die Auffahrt der Duprais’schen Villa. Das Tor stand offen und die Villa war hell erleuchtet. Auf ihr Klingeln öffnete Frau Müller. Sie sah zu Boden. »Bitte kommen Sie herein. Herr Duprais erwartet Sie.«
»Ich habe nicht erwartet, Sie noch hier anzutreffen«, meinte Jenny.
»Ich helfe beim Verpacken.«
Sie folgten ihr die Treppe hinauf in ein Zimmer, in dem sie zuvor noch nicht gewesen waren. Es schien sich um das Arbeitszimmer von Duprais zu handeln. Er saß hinter einem schweren Holzschreibtisch und sah kurz auf, als sie eintraten. An den Wänden waren Regale eingebaut, die dreiviertel leer waren. In den Ecken standen Kisten.
»Sind Sie endlich in Ihren Ermittlungen weiter gekommen?«, fragte er ohne Begrüßung.
»Tatsächlich ermitteln wir in ganz neue Richtungen«, konterte Jenny, »auf Ramona Wiesner wurde ein Mordanschlag verübt.«
Duprais sah sie verwirrt an. »Wer ist das und was hat das mit meinem Sohn zu tun?«
»Es handelt sich um die junge Frau, die Ihren Sohn im Jahr vor seinem Tod häufig besucht hat.«
»Ach, diese Person. Was hat das zu bedeuten?«
»Ich habe gehofft, Sie würden mit das erklären«, ließ Jenny einen Versuchsballon los. »Sie hatten heute eine Verabredung mit ihr.«
Offenkundig verwirrt starrte Duprais von Jenny zu Sascha und zurück. »Verabredung?«, fragte er. »Sie wollen doch nicht andeuten, ich hätte
Weitere Kostenlose Bücher