Artcave - In den Fesseln der Sehnsucht
denn schon über ihn und seinen Beruf, außer, dass er schwer beschäftigt sei und irgendetwas mit EDV und Sicherheit zu tun hatte. Ich hatte nie gefragt, weil ich dachte, er erzähle es mir schon noch. Vielleicht hatte ich vieles nicht mitbekommen, weil ich zu wenig von ihm wissen wollte, weil ich einfach nur genoss. Der Umstand, dass er in die Stille ging, irritierte mich zusehend. Von einer Gefühlswallung in die nächste getrieben beschloss ich, ihm zu schreiben und zu fragen, ob er noch mal mit mir reden wolle.
Er hielt meine Hände fest und schaute mir starr in die Augen.
»Henry! Du musst mit mir reden! Ich halte das nicht mehr aus so wie es ist! Ich kann das nicht leben. Mich macht das wahnsinnig.«, erklärte ich mit Nachdruck. »Das bin nicht ich. Das ist, wie im ewigen Mangel, wie im ewigen Mangel durch dich. Den ich nicht hatte, als ich nicht mit dir war. Klar, hat mir Nähe gefehlt, hat mir Sex gefehlt, hat mir ein Mann an meiner Seite gefehlt, aber ich hatte das nicht wirklich mit dir. Ich habe irgendwas, was sehr schön ist und mich anheimelt und ich fühle mich so geborgen. Ich mag es so gern. Als du mir erzählt hast, wir fahren nach Venedig. Ich dachte, man fährt doch nicht einfach so nach Venedig. Ich dachte, gib ihm Zeit. Ich dachte, es wird schon werden. Ich dachte immer wieder, gib ihm die Zeit. Aber jetzt steh ich hier und ich weiß, ich will mehr und spüre, du kannst nicht. Du kannst einfach nicht!«
Henry hörte mir weiter zu, ließ mich weiter reden: »Woran liegt es? Liegt es an mir? Bin ich nicht das, was du willst?«
»Doch!«, sagte Henry insistierend »So viel von dir ist genau so, wie ich es mir immer gewünscht hatte, genau so wie ich mir immer vorgestellt habe, dass es sein muss. Ich weiß nicht, was es ist. Ich weiß nicht, warum ich nicht sagen kann: I am ready to go, aber ich bin nicht ready to go. Ich hätte all das so gern mit dir. Aber irgendetwas blockiert mich derartig. Ich weiß es nicht.« Er hielt meine Hände fest, schaute mir in die Augen, dann nahm er wieder einen Schluck Wein. Ich hatte das Gefühl, er müsse sich betäuben oder sich betrinken, um mir das sagen zu können, was er mir zu sagen hatte. Es machte mir Angst. Ich hatte Angst, dass ich jetzt eine unangenehme Wahrheit würde hören müssen, eine Wahrheit, die ich lieber nicht hören wollte.
»Charlotte, ich mag dich wirklich sehr, sehr gern. Ich genieße die Zeit mit dir, das kannst du mir glauben. Ich wünschte, ich könnte dir geben, was du willst, weil ich es im Grunde auch will. Aber ich kann nicht.
Weißt du, ich habe meine Frau über alles geliebt. Als ich gedacht habe, wir gründen eine Familie, waren mir alle anderen Frauen egal, auch wenn ich sagen kann, dass ich immer sehr umtriebig war. Ich habe meine Sexualität bis zum Exzess gelebt. Ich war auch nicht wirklich immer sehr fair zu den Frauen. Aber irgendwie so richtig einlassen wollte ich mich nicht wirklich. Es war auch keine vorher da, bei der ich dachte, das ist es jetzt. Und als ich meine Frau kennenlernte, da wusste ich, da kann vieles gehen. Und ich habe die Augen auch teilweise zugemacht für Unzulänglichkeiten, auch was die wirkliche Leidenschaft und Vielfältigkeit im Bett anbelangt. Aber wir hatten S/M und das war für mich genug, weil es mit ihr war.« Traurig hörte ich mir seine Offenbarung an. »Es war ein Schlag für mich, zu merken, sie will diesen anderen und nicht mehr mich. Ich kann auch gar nicht sagen, wann es anfing. Ich weiß gar nicht, wer letztendlich daran schuld ist. Ich weiß nur für mich: Es war so ein Schlag ins Gesicht.«
Henry saß da und hatte feuchte Augen. »Ich war so begeistert von ihr. Die hat mich wirklich so in ihren Bann gezogen.«
Ich sah ihn an und mir krampfte sich der Magen zusammen. Es schnürte mir den Hals zu und ich wusste, sie war es eigentlich für ihn. Das ist eigentlich die Frau, die er wollte mit allen Unzulänglichkeiten. Mit der er vielleicht nur Blümchensex hatte, abgesehen von vielleicht ein bisschen Po versohlen. Das ist die Frau, die er will, die er liebt, die er braucht, mit der er die Zukunft gestalten wollte, mit der er alt werden wollte. Würde ich je diese Position bei ihm inne haben können? Irgendwann? So wie er über sie redet. Nach dem, was wir miteinander erlebt hatten, das für mich so schön war oder bildete ich mir das alles nur ein? Habe ich wirklich so viel mehr gesehen, als das was er wollte? Hatte ich mich so getäuscht? Hatte ich noch den Hauch einer Chance,
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