Artcave - In den Fesseln der Sehnsucht
wüsste, dass das mit uns etwas Besonderes sei. Wenn er mit mir reden würde, dann würde ich ihn verstehen. Bestimmt.
Am Sonntag abend meldete sich Henry mit völlig kraftloser Stimme auf meinem Anrufbeantworter und teilte mir mit, er habe Depressionen, ihm ginge es schlecht, er liebe mich. Er tat mir fast leid, aber ich tat mir auch leid und mir trieb es immer wieder Tränen in die Augen. Mir ging es so schlecht, doch auch er litt. Auch er war das ganze Wochenende in der Einsamkeit, weil ihm nicht nach Menschen zumute war. Und ich glaubte ihm. Warum auch nicht? Es fühlte sich klar und ehrlich an. Er hatte mein Band voll gesprochen. Er wollte mir genügen, konnte es aber nicht. Er hätte eine Blockade seit das mit seiner Frau passiert war. Er würde Tabletten nehmen. Die bremsen seine Libido. Er würde ihn nicht zum Stehen bringen. Er wollte mich nur einfach nicht verlieren. Er wollte mir den Sex geben, den ich mir gewünscht hatte. Er hätte das gespürt. Er wusste sich keinen anderen Ausweg, als es so zu regeln. Er sei in tiefer Trauer. Er wolle mich nicht verlieren. Er wolle mich so sehr. Und ich konnte ein Stück weit nachvollziehen, was in ihm vorging, konnte nachfühlen, wie es sich in seiner so tiefen Trauer anfühlen musste. Ich trug sie ja auch in mir. Wenn er wirklich für mich fühlen würde, dann ging es ihm schlecht, wenn er sich gewahr wurde, was er da angerichtet hatte. Ich wusste nicht, was mit mir war. Traurig, dennoch immer wieder an das mit ihm erinnert, an die guten und die schlechten Tage. Und die Liebe zu ihm hatte immer wieder eine Luke gefunden, wo sie durchblitzte. Ich war so wirr, hin und her gerissen zwischen Wollen und Ablehnung.
Er hatte mir nicht den Zutritt zu seiner Seele gestattet. Er hätte mit mir reden müssen, dann hätten wir vielleicht eine Lösung gefunden. Warum kam er erst jetzt damit?
Ich hätte ein Stück das mittragen können, was ihn so unglücklich gemacht hatte. Doch wie, wenn er mich nicht mitnahm, wenn er mir den Zutritt zu seiner Seele verweigert? Dies musste ich wohl oder übel akzeptieren, dass er lieber allein in seinem Drangsal sein wollte. Und ich hatte schließlich auch meinen eigenen Weg. Einen neuen Weg, den ich gehen wollte. Neue Skulpturen schaffen, neue Formen schaffen, aus dem Alten heraus. Und dies hatte nichts mit einer inneren Leere, vielmehr mit dem Wunsch nach Erfüllung, nach Antworten auf meine ureigenen Fragen nach dem Wie und Warum zu tun. Ich fühlte, ich war wieder auf einem Weg. Ein Weg, der mir viele neue Satelliten würde zeigen können, denen ich gestatten würde auf meiner Umlaufbahn zu sein. Und ich wollte weiter bei mir sein, als mich vom Schmerz des anderen und von meinem aus mir heraus katapultieren zu lassen. Jetzt nicht in seine und meine Wirrnisse hinein zu strudeln, sondern den eigenen Weg aus eigenem Wunsch, Antrieb und Neugierde zu gehen. Schlüssig und wahrhaftig sein. Das wollte ich. Und wieder klar, erst einmal zu mir selbst finden. Meine Arbeit zu strukturieren. Endlich war ich wieder produktiv. Und das wollte ich ausnutzen. Es standen ja noch so viele Projekte an. Wer weiß, für was es gut war.
»Liebelein, wo warst du so lange, Ich hätte morgen angerufen, wenn ich dich heute nicht gesehen hätte«, begrüßte mich Manoun, als ich nach zwei Wochen wieder ins Artcave kam.
»Ach du, ich hatte viel Arbeit«, sagte ich nicht überzeugend.
»Komm, erzähl mir nichts«, schaute sie mich an. »Du hast auch schon bessere Zeiten gesehen. Wieviel hast du abgenommen?«
Ich hatte mich gegen meine Gewohnheiten seit dem Vorfall nicht mehr auf die Waage gestellt. Hatte nur wirklich wenig gegessen, auch ich hatte bemerkt, dass ich eine ganze Kleidergröße verloren hatte, als ich mein Kleid anzog. Es spannte nicht mehr.
»Ach weißt du. Es ist viel passiert.«
»Komm, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen. Ist was mit Henry?«
Wieder stiegen mir Tränen in die Augen. »Ja Manoun, es ist etwas ganz Fürchterliches passiert. Henry hat mir die Augen verbunden. Ich dachte, er sei es, der mit mir schläft, aber es war ein anderer Mann.«
»Was?«
»Ja.«
»Und dann hat er es dir gesagt?«
»Nein, der Andere tat es.«
»Aber wieso. Steht er auf so was?«
»Ich weiß es nicht. Nein, er sagte, er wollte mich nicht enttäuschen. Er dachte, ich wollte es und er hat eine Blockade.«
»Das ist ja verrückt. Und weißt du was, du bist nicht die Einzige, wo der Mann nicht kann und sich eines anderen bedient. Das nennt man
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