Artefakt
er will?«
»Dort bekommt jeder fast alles , was er will«, sagte Emily. »Gans ka ist eine Hightech-Welt. Wisst ihr noch, was das bedeutet?«
Rahil öffnete den Mund, aber seine Schwester kam ihm zuvor. »Die ganze Welt ist eine Maschine.«
»Beinahe«, sagte Emily und stand auf. Nicht zum ersten Mal staunte Rahil darüber, wie sie sich bewegte, mit sicherer, fließender Eleganz, als hätte sie Knochen aus Gummi in ihrem geschmeidigen Leib. Konnte sie wirklich so alt sein, wie sie behauptete? Die Alten in der Stadt und selbst im Familienhaus bewegten sich anders, einige von ihnen mit Stöcken oder anderen Gehhilfen, der Rücken wie unter einem schweren Gewicht gebeugt. »Im Innern von Ganska und der anderen Hightech-Welten gibt es einen großen Maschinenkern, bestehend aus vielen … Fabriken, die alles herstellen, was die Menschen brauchen. Und sie stellen all diese Dinge ganz allein her, ohne dass menschliche Arbeit erforderlich ist.«
»Das hast du uns schon einmal erzählt, und ich habe es nicht verstanden«, warf Rahil ein. »Wenn niemand in all den unterirdischen Fabriken arbeitet … Wie verdienen die Bewohner von Ganska dann ihr Geld? Wie bezahlen sie, was sie kaufen möchten?«
»Auf Ganska gibt es keine Geldwirtschaft mehr.« Emily legte ein Scheit ins Feuer und streckte die Hände kurz den Flammen entgegen. Dann drehte sie sich um. »Die Fabriken gehören allen, nicht einigen wenigen. Und sie produzieren genug für alle. Jeder bekommt, was er braucht.«
»Auch solche Würfel?«, fragte Jazmine. »Kann man sich auf Ganska jeden Tag einen neuen Würfel nehmen?«
»Das ist gar nicht nötig, Schatz. Jeder dieser Würfel enthält mehr Bilder, als du dir jemals ansehen kannst. Einer genügt für ein ganzes Leben.«
»Und wenn man doch einen neuen Würfel möchte?«
»Dann bekommt man einen. Es gibt genug davon. Es gibt von allem genug.«
Das Knistern wiederholte sich, als Jazmine eine andere Seite des Würfels berührte. Die Stadt mit den vielen glänzenden Türmen verschwand, und ein Wald nahm ihren Platz ein, mit Bäumen wie graubraune Säulen, ihre Wipfel ein grünes Dach, durch das hier und dort Sonnenstrahlen fielen. Ihr Licht glitzerte auf den Flügeln großer Schmetterlinge, die zwischen den Bäumen tanzten. Jazmine streckte staunend die freie Hand nach ihnen aus.
»Wenn die Fabriken so viel herstellen, ohne dass jemand in ihnen arbeitet, und wenn genug für alle da ist und niemand bezahlen muss …«, sagte Rahil, dem es noch immer schwerfiel, sich so etwas vorzustellen. »Warum bringt man solche Maschinen nicht hierher, damit auch bei uns alle bekommen, was sie möchten?«
Ein Schatten fiel auf Emilys Gesicht, obwohl sie noch immer am Kamin stand, vor dem Feuer. »Wenn wir sie hierherbrächten …«, sagte sie, und Rahil bemerkte, dass sie wir sagte. »Wer würde sie kontrollieren? Wer würde die Dinge, die sie produzieren, verteilen, wie und an wen?«
»Aber wenn genug für alle da wäre …«, sagte Rahil.
»Ist auch genug Macht für alle da?«, erwiderte Emily. Als Rahil verwirrt schwieg, fuhr sie fort: »Gibt es in eurer Schule jemanden, der andere schikaniert und ihnen seinen Willen aufzwingt?«
Jazmine und Rahil sahen sich an. »Mowder«, sagten sie wie aus einem Mund.
»Mowder?«, wiederholte Emily.
»Er ist grässlich !«, stieß Jazmine hervor. Für einen Moment vergaß sie den Wald mit den Schmetterlingen und schnitt eine finstere Miene. »Er haut und zwickt und zieht an den Haaren. Uns lässt er in Ruhe, seit Ruben mit seinem Vater gesprochen hat, aber die anderen kriegen es immer wieder mit ihm zu tun. Manchmal hetzt er Herrn Kruzz auf sie.«
»Herr Kruzz?«, fragte Emily.
Jazmine rollte mit den Augen. »So heißt seine Ratte. Er hat eine abgerichtete Flussratte. Sie macht alles, was er ihr sagt. Sie beißt , wenn er will, und sie … stiehlt Sachen für ihn.«
»Eine Flussratte«, sagte Emily nachdenklich und setzte sich wieder in den Schaukelstuhl.
»Ja. Sie ist genauso böse wie er.«
»Stellt euch vor …« Emily sah kurz zum Fenster, als hielten Regen und Wind die richtigen Worte für sie parat. »Stellt euch vor, Ruben hätte nicht mit Mowders Vater gesprochen. Was wäre dann geschehen?«
»Dann würde er auch uns ärgern!«, antwortete Jazmine sofort. Den Wald und die Schmetterlinge aus dem knisternden Würfel hatte sie vorübergehend vergessen.
»Ich nehme an, die Lehrer bestrafen ihn, wenn er und Herr Kruzz Unfug anrichten, nicht wahr?«
»Ja, wenn sie ihn
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