Artefakt
Heftigkeit reagiert.
Über Jahrhunderte hinweg hatten die Tennerits an den katastrophalen Folgen von Juranjos Größenwahn gelitten. Die Überlebenden ihrer Familie waren nach Meemken verbannt worden, vielleicht in der Hoffnung, dass einer der dortigen Vulkanausbrüche erledigte, was Larraldes Schiffen und dem Zorn der anderen Großen Familien vorenthalten geblieben war: die endgültige Auslöschung der Tennerits. Jere Laureno war es schließlich gelungen, neue Verbindungen zu knüpfen, wichtige Verbündete bei den Räten und Komitees zu finden und Einfluss zu gewinnen. Seine Söhne und Enkel setzten diese Arbeit fort, und jetzt …
Und jetzt stehen wir hier in unserer alten Zitadelle, dachte Rahil, während er vorgab, weiterhin das große Bild zu betrachten, und die Hand seines Vaters wie Blei auf seiner Schulter lag. Wir sind aus der Verbannung zurückgekehrt, und die alten Sünden der Tennerits sind vergessen, oder fast. Aber es geschehen neue, und es gibt neue Pläne, die auch mich und Jaz betreffen. Die Vergangenheit, die hier überall präsent ist, greift nach der Gegenwart und darüber hinaus, und wenn ich mich von ihr ergreifen lasse, gibt es keine Zukunft, weder für mich noch für Jazmine.
Es waren große Gedanken, die ihm da durch den Kopf gingen, aber sein Kopf schien gewachsen zu sein und hatte Platz für sie. Und sie wogen schwer, noch schwerer als die Hand auf seiner Schulter.
»Heute ist dein vierzehnter Geburtstag«, sagte Coltan, und wieder lag der seltsame Ton in seiner Stimme. »Es sind noch zwei Jahre bis zu deiner Volljährigkeit, aber ich möchte eine Tradition fortsetzen, die mein Ururgroßvater Jere Laureno wiederaufleben ließ. Als sein erstgeborener Sohn vierzehn Jahre alt wurde, erklärte er ihn ganz offiziell zu seinem Nachfolger und erteilte ihm die ersten geschäftlichen Vollmachten.«
Beide Hände schlossen sich um Rahils Schultern und drehten ihn herum. Sein Vater sah ihm in die Augen, ernst, betont würdevoll und vielleicht auch mit … Stolz?
»Dies ist ein großer Tag für uns beide, Rahil«, sagte Coltan. »Von heute an gehörst du zu unserer operativen Gruppe und erhältst Gelegenheit, dich direkt an unseren Geschäften zu beteiligen. Ruben und Darel werden dich einweisen. Du wirst …«
Die Tür auf der anderen Seite des Saals öffnete sich, und jemand sah herein. »Duartes ist da, Sire.«
Coltan winkte ungeduldig. »Ja, ja, er soll warten. Wir kommen gleich.«
Die Tür wurde wieder geschlossen.
Rahils Vater hob die rechte Hand und zog einen Ring von seinem kleinen Finger. Filigranes Gold umfasste einen Rubin, rot wie der Schreibtisch in Coltans Arbeitszimmer.
»Diesen Ring habe ich von meinem Vater erhalten, und der erhielt ihn von seinem und so weiter. Er ist neunhundert Jahre alt, und sein Gold soll von einem anderen Ring stammen, den ein Juwelier auf der Erde anfertigte, noch vor dem Ersten Exodus. Was den Rubin betrifft …« Coltans Lippen verzogen sich zu einem kurzen Lächeln. »Die Patrone der Joulwan besaßen einmal ein Zepter, das angeblich von einem König der alten Erde stammte. Mein Ururgroßvater stahl es ihnen, und dies ist einer der Steine, die das Zepter schmückten. Du siehst, er hat eine ganz besondere symbolische Bedeutung.«
Coltan nahm Rahils rechte Hand, drückte den Ring in die Handfläche und schloss die Finger darum. »Es ist der Ring des Patrons, Sohn. Jetzt gehört er dir.«
Der Ring war seltsam kalt, und als sie zur Tür gingen, die eben ein Bediensteter geöffnet hatte, dachte Rahil: Wenn ich diesen Ring trage, wird sich seine Kälte auf mich übertragen. Ich werde zu Eis erstarren, tief in meinem Innern. Herz und Seele werden gefrieren.
24
Duartes stammte von Greenrose: ein schmächtiger Mann, älter als Rahils Vater, mit tief in den Höhlen liegenden Augen und einem haarlosen Kopf, der Rahil an einen Totenschädel erinnerte, über dessen Knochen sich fleckige Haut spannte. Er spielte den Grandseigneur, trug Kleidung aus Stoffen, die es auf Caina nicht gab, und nannte sich Geschäftsmann, war aber nichts weiter als ein Schmuggler, der viel Geld mit Dingen ver diente, die das Dutzend eigentlich nicht erreichen sollten. Emily hatte damals davon gesprochen, dass auf einigen besonders hoch entwickelten Welten der Bruch-Gemeinschaft keine Geldwirtschaft mehr existierte, weil die großen Maschinen im Innern der Planeten alles produzierten, was die Menschen brauchten, erinnerte sich Rahil. Er fragte sich, warum jemand wie Duartes auf Geld
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