Artefakt
des Würfels vereinigt hatten, dann konnten sie damals offensichtlich nicht viel Energie freigesetzt haben; andernfalls wäre der Würfel zerstört worden. Claire und er und der arme tote George hätten niemals mehr als Bruchstücke entdeckt. Er schüttelte den Kopf. Hätten er und Zaninetti der Archäologie mehr Aufmerksamkeit geschenkt, so wäre ihnen vielleicht einiges von alledem erspart geblieben.
Nun konnten sie, solange sie die beiden Zwillinge vereint hielten, mit ihnen experimentieren und ein gänzlich neues Gebiet der Physik erschließen. Das Problem bestand in der sicheren Einschließung der beiden Komponenten. Es gab viel zu tun. Er versuchte sich auf die Möglichkeiten zu konzentrieren, merkte aber bald, daß sein Kopf ein rauchiger, verschwommener Ort war, wo Ideen kreuz und quer herumflogen und sich allzubald im diesigen Nichts verloren.
Hale und Claire waren aufgestanden und nähergekommen. Die Bahrenträger eilten im Laufschritt den Weg herauf. Er fand, daß die breite weiße Liegefläche der Bahre und die wohligen Decken tatsächlich einen unwiderstehlichen Reiz ausübten.
»Fühlst du dich… einigermaßen?« fragte Claire.
»Fünf minus, wie wir im Lehrerberuf sagen«, antwortete John mit matter Stimme.
»Teufel noch mal«, sagte Hale staunend und zeigte zum Hubschrauber. »Es klappt.«
»Ja«, sagte John. »Bis jemand es fallen läßt.«
EPILOG
Sie war drauf und dran, sich zu verspäten.
Hastig ordnete Claire die fotokopierten Blätter, steckte sie in den an die Wissenschaftszeitschrift Science adressierten Umschlag, leckte die gummierte Klappe und klebte sie zu. Fertig. Sie hatte sich selbst das wahrscheinlich ganz und gar neurotische Ziel gesetzt, den Artikel bis zu diesem Datum fertigzustellen, und nun war »Ethnohistorische Zusammenhänge zwischen dem Minotauros-Mythos und einer ungewöhnlichen mykenischen Grabbeigabe« bereit für den Druck. Sie hatte eine knappere, beschränktere Fassung geplant gehabt, gefolgt von einem ganzen Buch, in welchem sie die verschiedenen Stücke des Puzzlespiels ausführlich zusammensetzen wollte, reichlich garniert mit Vorbehalten, Einschränkungen und den gebotenen wissenschaftlichen Anmerkungen.
Doch in dem Maße, wie während der Monate Februar und März mehr und mehr Informationen durchgesickert waren, hatte sie erkannt, daß eine stückchenweise Veröffentlichung die akademischen Raubtiere nur noch rascher auf den Plan rufen würde. Jemand würde die Zusammenhänge sehen und eine kurze Notiz in der Zeitschrift Ethnoarchäologie oder anderswo veröffentlichen und damit den allgemeinen Gedanken festhalten. Um sich zu schützen, mußte sie auf Anhieb ein großes Aufhebens machen. Ein paar Telefongespräche mit bedeutenden Fachgelehrten hatten ergeben, daß die Redaktion der Science einen Artikel über die geheimnisvollen Ereignisse auf der Peloponnes begrüßen würde. John war vergattert worden, nächste Woche in New York ein wissenschaftliches Interview über seine Theorie zu geben, und beides würde gut zusammenpassen.
Claire suchte ihre Sachen zusammen und verließ den Arbeitsraum, ohne sich die Mühe zu machen, Ordnung in das Chaos auf ihrem Schreibtisch zu bringen. Dafür war später Zeit genug, viel später, irgendwann im Rest ihres Lebens. Sie fummelte mit dem Schlüssel, unvertraut mit der verzogenen Tür. Der Fachbereich hatte ihr großmütig ein neues Büro angeboten, das ungefähr dreimal so groß war wie ihre frühere klaustrophobische Kammer, und mit freiem Blick auf den Charles River. Die Zeit hatte nicht gereicht, ihr Material zu ordnen. Sie hinterließ dem Reinigungspersonal eine Notiz mit der Ermahnung, während der Wochen ihrer Abwesenheit alles zu lassen, wo und wie es war.
Die Commonwealth Avenue schimmerte in spätem Frühlingsgrün. Ramponierte Studenten latschten dahin, bedrängt und auf sich selbst zurückgeworfen von den bevorstehenden Schlußexamen. Sie sog die feuchte Luft tief ein; ihr Geschmack verhieß einen regenreichen Sommer. Der willkommene Druck auf ihre Lungen erinnerte sie an das Rauchen, das sie vor Monaten aufgegeben hatte und noch vermißte, ein nervöses Verlangen. Sie ging zum Briefkasten. Das dumpfe Plumpsen, mit dem er das Manuskript aufnahm, interpunktierte ihr Leben. Getan und fertig.
Sie fand ihren Alfa Romeo, warf den unter dem Scheibenwischer steckenden Strafzettel fort und fuhr mit quietschenden Reifen hinaus in den Verkehrsstrom. Sie hatte ihre Aktentasche absichtlich im Büro
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