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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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er im Geruch von Staub und Schweiß mit pochendem Herzen dastand, und wie der mächtige Stier im Geschrei der Menge mit polternden Hufen angriff, die gekrümmten spitzen Hörner zum Aufwärtsstoß gesenkt und schimmernd im Sonnenschein, Tod in den rollenden Augen; wie seine Arme sich spannten, um blitzschnell mit beiden Händen die Hörner zu packen, sich mit dem Hochwerfen des massigen Schädels emporzuschwingen und im Salto über den Rücken des Stiers hinwegzufliegen.
    Lange bewunderte er den Kopf, geistesabwesend auf der Unterlippe kauend, und dachte, daß er ihn an etwas erinnere, doch konnte er sich nicht besinnen, was es war.

 
3
     
    Als die Attika aus dem Hafen von Heraklion lief, machte Claire ihn auf eine mit Farbsprühdosen auf den grauen Beton der Pier gemalte Aufschrift aufmerksam: YANKEE GO HOME.
    »Ein alter Hut«, grunzte John.
    »Aber es ist ihnen ernst.«
    »Ja. Ich dachte schon, dieser Kerl im Hotel würde uns unser schmutziges Ausbeutergeld gleich wieder ins Gesicht werfen.«
    »Er war ziemlich unhöflich, nicht?«
    »War das der Grund, daß Sie ihm erzählten, wir wollten unseren Mietwagen abholen?«
    Sie nickte. »Wenn die Polizei nachprüfen kommt, wird sie zuerst alle Autovermieter fragen und Zeit verlieren.«
    »Das dachte ich mir. Ich nehme solche Zeichen von Feindseligkeit sowieso nicht persönlich.« Er lehnte bequem an der Reling, ließ sich das Haar von der weichen Brise zausen und betrachtete die vorbeifahrenden Fischerboote. »Sie sind auf mich nicht anwendbar.«
    »Warum nicht?«
    Er sagte im gedehnten Tonfall des Südens: »Ich bin kein Yankee.«
    Sie mußte lachen. Er legte so großen Wert darauf, sich von ihrer Herkunft aus Neuengland zu distanzieren, doch geschah es stets mit einer Portion Selbstironie. Als wüßte er, daß er einer rasch dahinschwindenden Tradition und ihrer Vergangenheit verhaftet war. Vielleicht war es dieses Bewußtsein, das ihm erlaubte, sich so leicht zu entspannen; sie beneidete ihn darum. Am vergangenen Abend hatte sie über die Geschehnisse geplappert und Überlegungen angestellt, was sie tun könnten, hatte ihre eigenen Ängste und Sorgen in einem Sturzbach von Sätzen Luft gemacht, die alle mit ›wenn‹ und ›angenommen‹ und ›vielleicht‹ angefangen hatten. Er hatte aufmerksam zugehört, aber wenig zum Gespräch beigetragen, beinahe so, als wollte er nur auf sie eingehen. Sie hatte ihn und George und sich selbst in diese Sache hineingeritten, und nun bekam sie Bedenken. John schien sich nichts daraus zu machen. Er hörte sich einfach die Möglichkeiten an, um die sie sich sorgte, und nickte, als ob er ähnliche Gedankengänge hätte, aber nicht darüber zu sprechen brauchte. Ein seltsamer Mann.
    Die griechische Sonne löste den Morgendunst auf, die gleiche harte Helligkeit, die schon im Altertum auf diesen Küsten gelegen hatte und nun von neuem ihre Fähigkeit bewies, alles zu erwärmen und zu überstrahlen. Sie ging hinein, um gesüßten Kaffee und ein Brötchen mit Honig zu bekommen. Das Schiff war voll von Deutschen, die alle aufgeregt diskutierten und mit Zeitungen wedelten. John fragte sie, ob sie verstehe, was sie sagten.
    Sie las die Schlagzeilen der griechischen Zeitungen. »Es ist ein neues Zensurgesetz in Kraft getreten. Einstweilen werden nur Verlautbarungen der Regierung abgedruckt. Mmm… Die Grenzen sind für alle geschlossen, ausgenommen Touristen. Der Geld- und Kapitalverkehr mit dem Ausland unterliegt ab sofort strengen Kontrollen.«
    »Das übliche. Die Banken geschlossen?«
    »Ja, einstweilen. Ich bin froh, daß ich mein Geld gestern abgehoben habe.«
    »Was sagen die Deutschen dazu?«
    »Ich spreche nicht deutsch.«
    »Sie, das Sprachgenie?«
    »Ich bin wirklich nicht so gut. Ich kann deutsch gut genug lesen, um archäologische Veröffentlichungen zu verfolgen, aber das ist alles. Wenn ich in ein anderes Land als Griechenland gehe, verbringe ich den Monat vorher damit, daß ich mich mit den Grundzügen der Sprache und des Vokabulars vertraut mache. Ich lerne die Gegenwartsform von ein paar Verben – sein, haben, und so weiter. Dann versuche ich jemand aufzutreiben, der die Sprache kennt, und übe ein paar Abende praktische Verständigung. Es ist nicht allzu schwierig. Was das Deutsche betrifft, so beschloß ich allerdings, mich mit der Kenntnis des Lesens zu begnügen, als ich entdeckte, daß das Wort Mädchen im Neutrum steht – das Mädchen.«
    »Und?«
    »Nur durch Heirat könnte ich einen weiblichen Artikel

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