Artemis Fowl. Das magische Tor (German Edition)
Soldaten sind bereit zur Schlacht. Sie werden kämpfen, bis die geraubten Körper fallen, und dann werden sie endlich frei sein und im Licht aufgehen können.
Unsere Zeit ist gekommen.
Juliet Butler hielt die Stellung. Nicht nur in dem Sinne, dass sie sich um alles kümmerte, während Artemis’ Eltern bei einer Ökokonferenz in London waren, sondern buchstäblich, und zwar in einem alten Martello-Turm, der auf einem Hügel oberhalb der Dublin Bay stand.
Der Turm, von dessen Innerem nur ein einfacher Lehmboden geblieben war, war von den Elementen zu einem Stummel abgeschmirgelt worden, und eigentümliche schwarze Efeuranken umschlossen die verbliebenen Steine, als wollten sie sie in die Erde zurückholen. Die Eroberer in spe waren Artemis Fowls Brüder, der vierjährige Myles und sein Zwillingsbruder Beckett. Die Jungen hatten die Turmruine mehrfach mit ihren Holzschwertern gestürmt, waren jedoch von Juliet abgewehrt worden, die sie sanft ins hohe Gras geschubst hatte. Beckett quiekte vor Begeisterung, aber Juliet merkte, dass Myles immer frustrierter wurde, weil seine Angriffe scheiterten.
Er ist genau wie Artemis , dachte Juliet. Noch ein kleines Verbrechergenie.
Seit ungefähr zehn Minuten hockten die Jungen nun hinter einem Busch und planten ihren nächsten Angriff. Juliet hörte gedämpftes Kichern und strenges Geflüster; zweifellos gab Myles seinem Bruder eine Reihe komplizierter taktischer Anweisungen.
Juliet lächelte. Sie konnte sich die Szene genau vorstellen. Myles sagte etwas wie: Du schleichst dich von da an, Beck, und ich von der anderen Seite. Das nennt man Flankenangriff .
Worauf Beckett etwas erwiderte wie: Mmh, lecker Raupen .
Die beiden Brüder liebten sich von Herzen, aber Myles lebte in einem Zustand ständiger Frustration, weil Beckett nicht willens oder in der Lage war, auch nur die einfachsten Anweisungen zu befolgen.
Gleich hat Beckett genug von der Lagebesprechung , dachte Butlers jüngere Schwester, und kommt mit dem Spielzeugschwert in der Hand aus dem Gebüsch .
Kurz darauf kam Beckett tatsächlich hinter dem Busch hervorgetapst, aber das, was er in der Hand hielt, war kein Schwert.
Juliet beugte sich über die niedrige Brüstung und rief misstrauisch: »Beck, was hast du da?«
Beckett schwenkte das Objekt hin und her. »Unterhose«, sagte er treuherzig.
Juliet sah noch mal genauer hin, und in der Tat war das schmuddelige Stoffstück eine Unterhose. Wegen des knielangen Greg-T-Shirts, das Beckett seit anderthalb Monaten trug, konnte man nicht erkennen, ob es seine eigene war, aber da seine Beine nackt waren, lag die Vermutung nahe.
Beckett war ein kleiner Wildfang, und in den paar Monaten als Kindermädchen und Leibwächterin hatte Juliet schon viel Schlimmeres gesehen als dreckige Unterhosen – zum Beispiel die Würmerzucht, die Beckett unten in der Gästetoilette angelegt und höchstpersönlich mit Dünger versorgt hatte.
»Okay, Beck«, rief Juliet. »Leg sie einfach da hin, ich hole dir eine neue.«
Doch Beckett tapste weiter auf sie zu. »Nein. Will keine neue Unterhose. Die ist für dich. Ein Geschenk.«
Das Gesicht des Jungen strahlte vor unschuldiger Begeisterung. Er war überzeugt, dass seine schmuddelige Unterhose das beste Geschenk war, das ein Mädchen kriegen konnte – abgesehen natürlich von seiner schmuddeligen Unterhose mit einer Handvoll Käfer darin.
Juliet entgegnete: »Aber ich habe gar nicht Geburtstag.«
Beckett war jetzt am Fuß des Turms angekommen und schwenkte die Unterhose wie eine Flagge. »Hab dich lieb, Jules – da, nimm.«
Er hat mich lieb , dachte Juliet, der nicht entgangen war, dass Beckett sie mit ihrem Kosenamen angesprochen hatte. Kinder wissen immer ganz genau, wo man seinen weichen Punkt hat . Sie versuchte es mit einem letzten Trick. »Aber kriegst du dann keinen kalten Po?«
Auch darauf hatte Beckett eine Antwort. »Nein. Hab nie einen kalten Po.«
Juliet lächelte liebevoll. Das glaubte sie ihm sofort. Der kleine Beckett strahlte genug Wärme ab, um einen See zum Kochen zu bringen. Wenn man ihn umarmte, fühlte er sich an wie ein zappelnder Heizkörper. Jetzt blieb ihr nur noch eine Möglichkeit, wollte sie einer Berührung mit der Unterhose aus dem Weg gehen: eine kleine Notlüge. »Kaninchen lieben alte Unterhosen, Beck. Warum vergräbst du sie nicht als Geschenk für Papa Kaninchen?«
»Kaninchen brauchen keine Unterhose«, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihr. »Sie sind Warmblüter, und in unserer Klimazone
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