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Artemis Fowl

Artemis Fowl

Titel: Artemis Fowl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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brennenden Fells und dem Aufatmen der Gäste. Mit weichen Knien stand Holly auf. Zahllose Augenpaare folgten ihr - menschliche Augenpaare. Sie war hundertprozentig sichtbar. Und diese Menschenwesen würden nicht lange friedlich bleiben. Das taten sie nie. Sie musste sie für eine Weile außer Gefecht setzen. Sie hob die geöffneten Hände als Geste des Friedens. »Scusatemi tutti« , sagte sie so flüssig, als wäre Italienisch ihre Muttersprache.
    Die Italiener murmelten nur erleichtert »keine Ursache«.
    Holly griff langsam in ihre Tasche und nahm eine kleine Kugel heraus, die sie auf den Boden legte.
    »Guardate« , sagte sie. Seht her.
    Gehorsam beugten sich die Restaurantgäste vor, um die kleine silberne Kugel anzuschauen. Sie tickte, immer schneller, fast wie bei einem Countdown. Da drehte Holly der Kugel den Rücken zu. Drei, zwei, eins...
    Wusch! Ein Blitz, dann versank alles um sie her in Bewusstlosigkeit. Nichts Schlimmes, nur garantiertes Kopfweh in etwa vierzig Minuten. Holly stieß einen Seufzer aus. Sie war in Sicherheit. Jedenfalls vorläufig. Sie lief zur Tür und schob den Riegel vor. Nun konnte niemand herein oder hinaus - es sei denn, durch das riesige Loch in der Wand. Dann besprühte sie den glimmenden Troll mit dem Feuerlöscher des Restaurants und hoffte, dass das eiskalte Pulver den ohnmächtigen Koloss nicht wieder belebte.
    Holly betrachtete das Chaos, das sie verursacht hatte. Ein Bild der Verwüstung. Schlimmer als Hamburg. Root würde ihr bei lebendigem Leib das Fell über die Ohren ziehen. Da war ihr ein Troll fast lieber. Ihre Karriere war mit Sicherheit gelaufen, aber im Moment war ihr das ziemlich egal, so sehr taten ihr die Rippen weh, und höllische Kopfschmerzen ließen ihr fast den Schädel platzen. Vielleicht sollte sie sich einen Moment ausruhen, damit sie wieder halbwegs fit war, wenn die Bergungseinheit eintraf.
    Holly machte sich nicht einmal die Mühe, nach einem freien Stuhl zu suchen. Sie ließ sich einfach dort, wo sie stand, auf den schachbrettartig gemusterten Linoleumboden sinken.
     
    * * *
     
    Aufzuwachen und als Erstes in Commander Roots wütendes, tiefrotes Gesicht zu blicken, war schlimmer als ein Albtraum. Als Holly benommen die Augen aufschlug, hatte sie allerdings einen winzigen Moment lang den Eindruck, in seinem Blick läge Besorgnis. Doch die war nur allzu bald verschwunden, und an ihre Stelle trat der gewohnte Adern schwellende Zorn.
    »Captain Short!«, dröhnte er, ohne auf ihre Kopfschmerzen Rücksicht zu nehmen. »Was um alles in der Welt ist hier passiert?«
    Zitternd stand Holly auf.
    »Ich... also... Da war...« Doch sie bekam einfach keinen Satz auf die Reihe.
    »Sie haben gegen einen eindeutigen Befehl gehandelt. Ich hatte Ihnen befohlen, sich da rauszuhalten! Sie wissen doch, dass es verboten ist, ein Menschenhaus ohne Einladung zu betreten.«
    Holly schüttelte den Kopf, um die schwarzen Punkte loszuwerden, die ihr vor den Augen tanzten. »Ich hatte eine Einladung. Ein Kind hat um Hilfe gerufen.«
    »Das ist aber eine ziemlich wacklige Argumentation, Short.«
    »Es gibt einen Präzedenzfall, Sir. Corporal Rowe gegen den Staat. Die Geschworenen befanden, dass der Hilferuf einer eingesperrten Frau als Einladung in das Haus angesehen werden kann. Außerdem sind Sie jetzt ja auch alle hier, also haben Sie die Einladung ebenfalls angenommen.«
    »Hmm«, grummelte Root skeptisch. »Anscheinend haben Sie noch mal Glück gehabt. Es hätte schlimmer kommen können.«
    Holly sah sich um. Noch schlimmer? Das Restaurant war mehr oder weniger ein Schutthaufen, und vierzig Menschenwesen lagen bewusstlos herum. Die Jungs von der Technik befestigten bereits Elektroden für die Erinnerungslöschung an den Schläfen der Gäste.
    »Wir haben es geschafft, das Gebiet abzusperren, obwohl die halbe Stadt an die Türen hämmert.«
    »Was ist mit dem Loch in der Wand?«
    Root grinste. »Sehen Sie selbst.«
    Holly wandte sich um. Jemand von der Bergung hatte eine der Steckdosen aufgestemmt und eine Leitung für ein Hologramm angeschlossen, mit der das Bild einer unbeschädigten Wand über das Loch projiziert wurde. Hologramme konnten in Notfällen ganz hilfreich sein, hielten aber einem prüfenden Blick nicht stand. Jeder, der die Wand genauer betrachtete, musste bemerken, dass der leicht transparent wirkende Abschnitt exakt genauso aussah wie der daneben. In diesem Fall gab es zwei identische spinnwebartige Risse und zwei Reproduktionen desselben Rembrandtgemäldes.

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