Arthur & George
erkennen, die der verschmitzte Eisenwarenhändler ihnen verkauft hatte. Außerdem hatte Brookes Sir Arthur eine »Kaution« dafür abverlangt, dass er ihm die anonymen Briefe aus seinem Besitz leihweise überließ. Wood hatte sich absichtlich weder an Ort und Stelle noch später dazu geäußert, was wohl der Grund dafür war, dass sein Brotherr ihm im Zug vorwarf, er sei eingeschnappt.
Heute war ihm die Rolle eines assistierenden Detektivs zugefallen: Sir Arthurs Partner, beinahe schon Freund. Nach dem Abendessen waren sie als gleichberechtigte Rivalen an den Billardtisch getreten. Morgen würde er wieder seine übliche Stellung als Sekretär und Faktotum bekleiden und Diktate aufnehmen wie eine Stenographin. Diese Vielfalt von Funktionen und geistigen Ebenen störte ihn nicht. Er war seinem Brotherrn treu ergeben und diente ihm in jeder erforderlichen Eigenschaft fleißig und gewissenhaft. Wenn Sir Arthur wollte, dass er das Naheliegende und Offensichtliche aussprach, dann tat er das. Wenn Sir Arthur wollte, dass er das Naheliegende und Offensichtliche nicht aussprach, blieb er stumm.
Zugleich wurde von ihm erwartet, dass er das Offensichtliche nicht wahrnahm. Als in der Hotelhalle ein Angestellter mit einem Brief auf sie zugeeilt war, hatte er weder bemerkt, wie Sir Arthurs Hand zitterte, als er ihn entgegennahm, noch dass er ihn wie ein Schuljunge in der Tasche verschwinden ließ. Auch die Eile, mit der es seinen Brotherrn vor dem Abendessen in sein Zimmer zog, und dessen nachfolgende Fröhlichkeit während der gesamten Mahlzeit nahm er nicht wahr. Das war eine wichtige berufliche Fähigkeit – Beobachten ohne wahrzunehmen –, und sie war ihm in den letzten Jahren immer nützlicher geworden.
Er dachte, es werde eine Weile dauern, bis er sich auf Miss Leckie eingestellt hatte – allerdings glaubte er nicht, dass sie übers Jahr noch ihren Mädchennamen tragen würde. Er würde der zweiten Lady Conan Doyle so eifrig dienen wie der ersten, auch wenn er nicht ganz mit dem Herzen dabei war. Er wusste nicht recht, wie sehr er Jean Leckie mochte. Das war natürlich gar nicht von Belang. Ein Lehrer musste die Ehefrau des Rektors auch nicht mögen. Und man würde ihn nie um seine Meinung bitten. Darum war es gleichgültig. Doch während der acht oder neun Jahre, die sie nach Undershaw kam, hatte er sich oft bei dem Gedanken ertappt, ob sie wirklich ganz ohne Falsch sei. Irgendwann hatte sie seine Bedeutung im täglichen Leben Sir Arthurs erkannt und war daraufhin betont nett zu ihm gewesen. Mehr als nett. Plötzlich lag eine Hand auf seinem Arm, und dann war Miss Leckie sogar Sir Arthurs Beispiel gefolgt und hatte ihn Woodie genannt. Er hielt das für eine Vertraulichkeit, die sie sich nicht verdient hatte. Selbst Mrs Doyle – wie er sie in Gedanken stets nannte – hätte diese Anrede nicht gebraucht. Miss Leckie machte viel Aufhebens von ihrer Natürlichkeit, so, als könne sie manchmal nur mit Mühe eine große instinktive Herzlichkeit zurückhalten; doch auf Wood wirkte das wie eine Art Koketterie. Er wäre jede Wette eingegangen, dass Sir Arthur das nicht so sah. Sein Brotherr behauptete gern, das Golfspiel sei wie eine kokette Frau; Wood hatte allerdings den Eindruck, der Sport treibe ein ehrlicheres Spiel mit einem Mann als die meisten Frauen.
Auch das war gleichgültig. Wenn Sir Arthur bekam, was er wollte, und Jean Leckie auch, und sie miteinander glücklich waren, was war dagegen einzuwenden? Doch es trug noch zu Alfred Woods Erleichterung darüber bei, dass er selbst sich nie mit Heiratsgedanken getragen hatte. Er sah keinen Vorteil in diesem Arrangement, außer unter hygienischen Gesichtspunkten. Man heiratete eine treue Frau, und dann langweilte man sich mit ihr; man heiratete eine hinterhältige und merkte nicht, dass man an der Nase herumgeführt wurde. Dies waren anscheinend die beiden einzigen Alternativen für einen Mann.
Sir Arthur warf ihm oft vor, er sei launenhaft. Er selbst hielt sich eher für schweigsam – und für jemanden, der sich seine naheliegenden Gedanken machte. Zum Beispiel über Mrs Doyle: über glückliche Tage in Southsea, arbeitsreiche in London und die langen, traurigen Monate am Ende. Und auch über die künftige Lady Conan Doyle und den Einfluss, den sie womöglich auf Sir Arthur und den Haushalt hätte. Über Kingsley und Mary und wie sie auf eine Stiefmutter – genauer gesagt, auf diese bestimmte Stiefmutter – reagieren würden. Kingsley würde zweifellos darüber
Weitere Kostenlose Bücher