Arto Ratamo 7: Der Finne
besorgt …«
»Warum zwingt ihr diesen Sutela nicht, uns zu sagen, wo das Dokument ist?«, fragte der General aufgebracht.
»Sutela hat Kontakt zur finnischen Sicherheitspolizei aufgenommen, und der Vater seiner verstorbenen Frau arbeitet beim MI6 der Briten. Wenn man Sutela entführt, würde das die Neugier der anderen wecken. Es ist leichter und sicherer, Sutela zu folgen und ihm dann hier in Russland das Dokument wegzunehmen.«
»Was ist dieser Otto Forsman für einer?«, fragte der General verärgert, obwohl auf seinem massiven Schreibtisch ein dicker Ordner über Forsman lag.
»Geboren in der finnischen Provinz, die heute zu Russland gehört, im Zweiten Weltkrieg hat er gegen uns gekämpft, jetzt ist er pensionierter Beamter des finnischen Innenministeriums. Ein Kind, seit Anfang der siebziger Jahre geschieden, spricht perfekt Russisch … Am interessantesten ist, dass Forsman seit Jahrzehnten unter psychischen Problemen leidet. Es kann sehr wohl sein, dass sich der Mann all das, was er seinem Sohn geschrieben hat, nur ausgedacht hat.«
General Korolkow schien allmählich besänftigt zu sein, er entspannte sich auf seinem Sessel. »Was genau enthält dieses ›Schwert des Marschalls‹?«
Jarkow senkte den Blick. Am liebsten hätte er gefragt, wie es denn möglich war, dass nicht einmal der Chef des FSB wusste, was sich hinter dem Begriff »Schwert des Marschalls« verbarg. Aber das konnte er natürlich nicht tun.
»Wir wissen nur, dass dieses Dokument möglicherweise eine extreme Gefahr für die Sicherheit Russlands darstellt. Das ›Schwert des Marschalls‹ und sein Besitzer Otto Forsman müssen gefunden und beide müssen … vernichtet werden. Über den Inhalt des Dokuments gibt es noch keine genauenInformationen, aber wir wollen jeden einzelnen Hinweis auf Finnland in den Archiven ausgraben. Glaubt man Gerüchten, dann enthüllt das ›Schwert des Marschalls‹ viele Fälle von Völkermord, zum Tod von Millionen Menschen führende …«
»Sie sollten in dieser Sache Erfolg haben, das wäre am besten für Sie, Major Jarkow. Sofern Sie Chef des Ermittlungsdirektorats bleiben wollen.« Der General sprang auf. »Existiert dieses Dokument mit Sicherheit? Ist diese … Bedrohung real?«
»Offen gesagt, Herr General, wir wissen es nicht«, erwiderte Jarkow. »Entweder Forsman ist verwirrt, oder er besitzt äußerst gefährliche Informationen.«
General Korolkow straffte sich und war um einen möglichst offiziellen Ton bemüht. »Die Ereignisse in Finnland haben derzeit in der Welt mehr Gewicht als sonst, weil das Land den EG-Vorsitz innehat. Dieses Dokument muss mit allen Mitteln und in aller Stille gefunden werden. Der Befehl kommt von der allerhöchsten Ebene.«
Jarkow verließ das Arbeitszimmer des FSB-Chefs und wischte sich auf dem düsteren Flur den Schweiß von der Stirn. Er war garantiert der größte Pechvogel auf der ganzen Welt. Warum zum Teufel musste ein Fall, der seit 1940 ungelöst war, gerade in seiner Zeit als Chef des Ermittlungsdirektorats aktuell werden? Und warum musste der Fall ausgerechnet mit Finnland zusammenhängen? Nur bei Ermittlungen, die mit diesem Land in Verbindung standen, war er selbst zuständig. Er verfluchte seinen weißmeerkarelischen Großvater und seinen Vater, der ihn gezwungen hatte, Finnisch zu lernen und zu studieren.
Der Schlüssel drehte sich im Aufzugsschloss, und kurz danach verfolgte Jarkow, wie die Stockwerknummern aufleuchteten. Er schaute in den Spiegel. Die Uniform spannte über dem Bauch, und die dunkle Haarsträhne, die er überdie kahle Stelle gekämmt hatte, war auf die Schläfe heruntergerutscht. Er hatte auch schon mal besser ausgesehen.
Die Tür des Aufzugs öffnete sich, und Jarkow sah Jelena, die Aufsicht im riesigen unterirdischen Archiv des FSB, die alle Kerberos nannten. Er schenkte der Frau sein schönstes Lächeln und fragte, ob sie feurige oder ausgeglichene Liebhaber bevorzugte. Jelena schnaufte und rümpfte die Nase. Das waren für einen routinierten Spieler vertraute Signale. In ein paar Monaten würde er Jelena zu allem überreden können, was er wollte, da war sich Jarkow ganz sicher. Allerdings ödete es ihn langsam an, ständig die Frauen im Kopf zu haben.
Jarkow schloss die Augen, als sich vor ihm die endlosen Flure des Archivs auftaten. Ihm graute schon bei dem Gedanken an die Unmenge von Arbeit, die in dieser unwirtlichen, kalten und staubigen Kammer auf ihn wartete. Er ging den von hohen Regalen mit Dokumenten flankierten
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