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Arto Ratamo 7: Der Finne

Arto Ratamo 7: Der Finne

Titel: Arto Ratamo 7: Der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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löffeln.
    Im selben Moment war im Treppenhaus ein Gepolter zu hören, mehrere Fußpaare stürmten die Treppe hinauf. Forsman drückte sich noch tiefer in seinen Sessel, hielt den Atem an und lauschte: Die Schritte kamen näher, jetzt erreichten sie seine Etage … Als sie in die darüberliegenden Stockwerke weitertrampelten, seufzte er laut und entspannte sich.
    Das »Schwert des Marschalls«. Forsman dachte an den Namen des wichtigsten Dokuments der finnischen Geschichte und aß widerwillig seine Suppe. Ministerpräsident Risto Ryti hatte sich selbst übertroffen, als ihm der Name Anfang 1940 eingefallen war. Besser hätte er selbst es auch nicht gekonnt. Der Name war eine Warnung an die Russen, ein Verweis auf die Rede Marschall Mannerheims im Februar 1918 auf der Karelischen Landenge während des Bürgerkrieges. Darin hatte der Marschall geschworen, er werde sein Schwert erst in die Scheide stecken, wenn »der letzte Krieger und Randalierer Lenins« aus Finnland vertrieben war. Forsman bekam sofort bessere Laune, als er an die sogenannte Schwerteid-Rede dachte, deren Höhepunkte er auswendig kannte:
    »Lenins Regierung, die mit der einen Hand Finnland die Unabhängigkeit versprach, hat mit der anderen Hand ihre Truppen und ihre Randalierer geschickt, um, wie es Lenin selbst verkündet, Finnland zurückzuerobern und mit Hilfe unserer Roten Garde die junge Freiheit Finnlands im Blut zu ertränken …«
    Die pathetische Sprache der Kriegsjahre bewegte Forsman tief. In gewisser Weise sehnte er sich nach jener Zeit, nach den reinen Ideen, der Selbstlosigkeit, danach, dass alle ins selbe Horn stießen.
    »Wir brauchen jenes Land nicht als Gnadengeschenk anzunehmen, das schon durch die Bindungen des Blutes zu uns gehört, und ich schwöre im Namen der finnischen Bauernarmee, deren Oberster Befehlshaber zu sein ich die Ehre habe, dass ich mein Schwert erst in die Scheide stecken werde, wenn wieder Gesetz und Ordnung im Lande herrschen, wenn alle Festungen in unserer Hand sind, wenn auch der letzte Krieger und Randalierer Lenins sowohl aus Finnland als auch aus Weißmeerkarelien vertrieben worden ist. Im Vertrauen auf unsere gerechte und edle Sache, im Vertrauen auf unsere tapferen Männer und opferbereiten Frauen erschaffen wir nun ein mächtiges, großes Finnland. Mannerheim.«

9
    Ivalo, Dienstag, 8. August
    Arto Ratamo und Eerik Sutela stießen mit der Schulter aneinander, als die Maschine der Finnair beim Eintauchen in eine strahlend weiße Kumuluswolke schwankte. Ratamo hatte früh verschlafen, um ein Haar hätte er den Flug verpasst. Fieberhaft überlegte er, was er alles zu Hause vergessen hatte, welche Reisevorbereitungen er versäumt hatte und worüber er mit Sutela reden müsste. Das Nachdenken lenkte ihn ab, Ratamo hasste das Fliegen.
    »Was haben sie bei der Polizei zum Verschwinden Otto Forsmans … deines Vaters gesagt?«, fragte Ratamo schließlich seinen schweigsamen Reisegefährten.
    Sutela fingerte mit nachdenklicher Miene an seinem Brillengestell herum. »Zumeist war es so, dass mir dieser Wachtmeister Fragen zu Vater gestellt hat. Doch es ist jedenfalls klar geworden, dass niemand etwas über den Aufenthaltsort meines Vaters weiß.«
    »Hat man bei der Polizei den Verdacht, dass sein Verschwinden mit einem Verbrechen zusammenhängt?«
    »Nein!« Sutelas Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Also, Vater steht nicht im Verdacht, irgendein Verbrechen begangen zu haben, aber in dem Fall dieser Pflegeschwester wird angeblich wegen Totschlags ermittelt. Und auch der Einbruch in die Wohnung wird untersucht.« Nervös bewegte er seine großen Hände auf dem Schoß hin und her. Es widerte ihn an, dass er verheimlichen und lügen musste, erst auf der Polizeiwache und nun Ratamo gegenüber. So etwas war er nicht gewöhnt, er fürchtete, in Kürzebei seinen Lügen ertappt zu werden. Doch sein Vater hatte ihn gebeten, niemandem zu verraten, was in dem Brief stand. Die Wut kochte in ihm hoch, wieder einmal war es dem Alten gelungen, ihn in eine höchst unangenehme Situation zu bringen.
    Allmählich wurde Ratamo ungehalten. Warum machte sich Sutela, der doch einen sensiblen Eindruck hinterließ, anscheinend überhaupt keine Sorgen um seinen verschwundenen Vater? Otto Forsman war schließlich über achtzig Jahre alt und blind. Verheimlichte der Professor etwas?
    »Du scheinst nicht sonderlich viel Angst zu haben, dass deinem Vater etwas passiert sein könnte«, sagte Ratamo unfreundlicher als beabsichtigt.

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