Arto Ratamo 7: Der Finne
das Flugzeug auf dem Asphalt der Landebahn auf.
Ihr Gepäck kam innerhalb weniger Minuten. Im Terminal »Perle Lapplands« war nichts zu sehen von den Touristenmassen, die in der Zeit der Herbstfärbung und in derSkisaison den Flugplatz von Ivalo bevölkerten. Sie gingen ins Restaurant »Ilmasilta«, und Sutela kaufte zwei Dreiecksbrötchen, während sich Ratamo an den abgelegensten Tisch setzte. Gerade als Sutela Platz nahm, tauchte eine temperamentvolle Frau mit strenger Miene vor ihnen auf. Sie trug Wanderschuhe und eine rote Gore-Tex-Kombination und hielt an der Hand ein kleines Mädchen.
»Taru Otsamo von den Ivalo-Guides«, sagte die blonde Frau in resolutem Ton und drückte den Männern die Hand. Sutela stellte sich als Professor vor und Ratamo als Polizist im Urlaub.
»Und das ist Paula, acht Jahre. Ich habe ihr versprochen, dass sie ein Eis bekommt, bevor sie mit ihrem Opa ins Ferienhaus fährt.« Stolz führte Taru Otsamo ihre Tochter vor.
»Hallo Paula.« Ratamo grinste das Mädchen an, das ein geblümtes Kleid trug und fröhlich lächelte.
»Ihr habt Glück gehabt, dass ihr bei uns so kurzfristig eine Führerin bekommen habt«, sagte Taru Otsamo zu Sutela und musterte neugierig ihren Kunden, der funkelnagelneue Outdoor-Kleidung trug. Der Mann sah selbst in den Wandersachen aus wie ein Professor. »Heutzutage haben wir auch im August viel zu tun, weil Urlauber aus Mitteleuropa hierherkommen, um zu wandern, vor allem Deutsche und Briten. Und dank Finnlands EU-Ratsvorsitz wird in diesem Herbst sicher noch mehr Betrieb sein als sonst.«
Sutela erwiderte Taru Otsamos selbstsicheren Blick schüchtern und amüsierte sich bei dem Gedanken, dass man das Bild der energiegeladenen Blondine sehr gut in ein Lexikon als Illustration des Begriffes
» Walküre
– weibliches Geisterwesen in der skandinavischen Mythologie« einfügen könnte.
Taru Otsamo wandte ihren Blick von Sutela ab. »Es ist jetzt kurz nach eins. Alles steht bereit, wenn wir bald aufbrechen, schaffen wir es heute noch bis Jäniskoski. Ich habemit den Diensthabenden der Grenzstation Virtaniemi vereinbart, dass sie uns nach Russland lassen. Das ist ein Grenzübergang, der nur bei Bedarf geöffnet ist, und heute passieren dort ein paar Sattelschlepper mit Baumstämmen die Grenze. Da haben wir also Schwein gehabt. Im Normalfall müssten wir erst nach Süden zum Grenzübergang Raja-Jooseppi und von dort dann wieder nach Norden fahren. Von Virtaniemi sind es nur etwa fünfzehn Kilometer Luftlinie bis Jäniskoski. Wenn bei schlechtem Wetter die Straßen kaum befahrbar sind, gibt es dorthin allerdings auch keinen anderen Weg als die Luftlinie.«
Ihre Köpfe wandten sich um, als ein sonnengebräunter glatzköpfiger Mann am Tisch stehen blieb, dem kleinen Mädchen eine Tüte Eis reichte und ihnen die Hand gab: »Jouni Otsamo.« Anschließend verabschiedete er sich von seiner Tochter und verließ mit der Enkelin die Halle.
Taru Otsamo winkte ihnen nach, setzte sich an den Tisch und warf dann einen abschätzenden Blick auf Ratamos Jeans und die Angelrute, die aus seinem Rucksack herausspießte. »Weshalb wollen wir übrigens nach Jäniskoski? Gibt es in dieser Höhle irgendetwas Besonderes, oder warum macht sich jemand auf den weiten Weg von England bis hierher, um sie zu bewundern? Ich glaube, von dieser Teufelskirche habe ich noch nie ein Wort gehört, habe ich da was verpasst?«, fragte Taru Otsamo und lächelte freundlich.
Ihre direkte und unbefangene Art brachte Sutela durcheinander. Verlegen starrte er auf den Amorbogen ihrer Oberlippe, rieb seine Hände und suchte nach einer ausweichenden Antwort. »Mein Vater hat Gerüchte gehört, dass dort im Krieg ein finnischer Soldat begraben wurde. Vater ist so ein übereifriger Geschichtsfan, der sich manchmal auch zu sehr in etwas hineinsteigert und glaubt, mal dies, mal das gefunden zu haben. Um ein Haar auch VäinämöinensKantele. Allerdings ist Vater … sehbehindert und über achtzig Jahre alt, und ich bringe es einfach nicht übers Herz, nein zu sagen, wenn er mich bei diesen Untersuchungen vor Ort um Hilfe bittet. Auch das ist ja eine Art Urlaub.«
»Interessant«, bemerkte Ratamo verdrossen. Sutela hatte der schönen Frau innerhalb weniger Sekunden mehr erzählt als ihm bei zwei langen Gesprächen. Die Blondine und Sutela schienen gut miteinander auszukommen.
»Diese Reise ähnelt ein wenig dem Geocaching«, sagte Taru Otsamo und fuhr fort, als sie die fragenden Blicke bemerkte. »Jemand
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