Arto Ratamo 7: Der Finne
der Estnischen Zentralbank und dem »Schwert des Marschalls«. Die »Kaleva« war erst ein paar Minuten in der Luft, als über der Insel Prangl zwei sowjetische Bomber vom Typ Tupolew SB-2 hinter ihr erschienen. In Höhe des Leuchtturmes von Ker eröffneten die sowjetischen Maschinen das
Feuer, die Benzintanks der »Kaleva« explodierten, und sie stürzte ins Meer. Niemand wurde gerettet. Sofort nach dem Absturz tauchte ein sowjetisches Unterseeboot in der Nähe des Wracks an der Oberfläche auf und sammelte die im Wasser treibende Diplomatenpost ein. Das »Schwert des Marschalls« wurde jedoch nicht gefunden und das neunundachtzig Meter tief gesunkene Wrack der »Kaleva« auch nicht. In der Sowjetunion glaubte man, das gefährliche Dokument vernichtet zu haben.
Nach dem Wegfall der Bedrohung durch das »Schwert des Marschalls« erteilte der Generalstab der Roten Armee am 18. September 1940 dem Militärbezirk Leningrad Anweisungen für einen neuen Krieg gegen Finnland. Am 22. Juni 1941 begann die Sowjetunion ihre Luftangriffe auf Finnland, und nach den Bombardierungen finnischer Städte am 25. Juni 1941 teilte Ministerpräsident Jukka Rangell in seiner Rundfunkansprache mit, dass sich Finnland wieder im Kriegszustand mit der Sowjetunion befand. Der Fortsetzungskrieg hatte begonnen.
»Verdammter Geizhals, wieder knausert er mit Informationen!« Ratamo riss endgültig der Geduldsfaden. »Das hier enthält auch nur Otto Forsmans Behauptungen, aber nichts, was sie beweisen würde.«
Sutela schüttelte den Kopf. »Alle Einzelteile passen zusammen. Die zeitliche Abfolge der Ereignisse stimmt ganz genau, niemand hätte sich all das ausdenken können.«
Ratamo schnaufte vor Wut. »Dein Vater erforscht die Geschichte ein Leben lang, und jetzt hat er angefangen, sie selbst zu erfinden.«
»Kaum. Als die Phantasie verteilt wurde, hat sich mein Vater zu spät angestellt. Ich kenne ihn, schließlich habe ich zwanzig Jahre mit ihm zusammen gelebt.«
»Nun beruhigt euch mal, ihr zwei«, zischte Taru Otsamo. »Blätter um, Eerik, dann können wir das zu Ende lesen.«
GESCHICHTE, Kapitel
3. Barbarossa
Im Jahre 1155 eroberte Kaiser Barbarossa Tortona, indem er das Trinkwasser der Stadt mit Leichen und Tierkadavern vergiftete.
Im Jahre 1346 schleuderte das Heer der Tataren mit Katapulten seine an der Pest gestorbenen Krieger in die Stadt Kaffa auf dem Gebiet der heutigen Ukraine. Das führte zu einer Epidemie in der Stadt, die sich daraufhin ergab. Die Krankheit verbreitete sich mit den Flüchtlingen von Kaffa zunächst bis nach Genf und von dort weiter wie ein Lauffeuer in ganz Europa. Eine Welle des Todes überrollte den Kontinent – der Schwarze Tod.
Die Nacht duftete nach Sommer, die Bäume rauschten, irgendein kleines Tier schrie durchdringend, und zwischen den Wolken schimmerte der Mond mit seinem gelblichen Licht. Die drei liefen im Dunkeln zu ihrem Auto, bei jedem Schritt knisterte es, der Waldpfad war von Nadeln und Zapfen bedeckt. Ratamo wusste nicht, was er denken sollte. Die Briefe verlockten dazu herauszufinden, wie Otto Forsmans Geschichte ausgehen würde, aber diese nächtlichen Waldwanderungen reichten ihm jetzt.
Taru lief ein paar Meter vor den anderen, als das Handy in ihrer Schenkeltasche zweimal vibrierte – es war das Telefon, das ihr Paulas Kidnapper gegeben hatte. Sie holte es so heraus, dass die Männer nichts bemerkten, öffnete die MMS und presste die Hand auf den Mund, als sie Paulas Bild sah. Das Mädchen stand neben einer Blockhütte und sah erschrocken aus. Tarus Augen wurden feucht. Warum schickte der Erpresser ein Bild? Sie hatte ihn doch sofort angerufen, als sie wusste, wo der dritte Brief versteckt lag. War das eine Warnung?
24
Helsinki, Donnerstag, 10. August
Major Rodion Jarkow legte seine Tasche auf den Schreibtisch des Chefs der Nachrichtendienstfiliale in der russischen Botschaft und wischte sich gerade den Schweiß von seinem Doppelkinn, als die wütende Sekretärin erschien. »Sie hatten Leutnant Gusarowa befohlen, sich sofort bei Ihnen zu melden, wenn etwas geschieht, und dann sind Sie in der Stadt verschwunden. Sie hat so oft hier angerufen, dass …«
»Na dann verbinden Sie mich mal sofort mit ihr«, sagte Jarkow grantiger als beabsichtigt, und die Sekretärin verließ mit trotzig erhobenem Kopf das Zimmer. Aus irgendeinem merkwürdigen Grund mochte die Frau ihn nicht. Vermutlich tat sie alles, um sich ihm zu widersetzen, weil alle Mitarbeiter des SVR in
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