Arto Ratamo 7: Der Finne
Patriarchats in Finnland befand sich in der Vanha Viertotie im Stadtteil Etelä-Haaga und sah aus wie ein gemütliches Eigenheim. Das Obergeschoss des kleinen gelben Gebäudes, das an ein Pfefferkuchenhaus erinnerte, war mit Holz verkleidet, das rundum ebenso wie die großen Fensterpfosten Schmuckornamente verzierten.
Im Besprechungszimmer, das im Licht der Morgensonne lag, sah es aus wie beim Brainstorming einer Werbeagentur. Alle redeten um die Wette durcheinander und zeigten abwechselnd auf Unterlagen, die ungeordnet auf dem großen Tisch lagen, und auf Fotos an der Wand. Niemand hatte die Geduld, sitzen zu bleiben. Das Priesterkreuz, das bei einigen der Männer an einer Kette auf der Brust hing und hin und her schaukelte, und die prächtige Ikone an der Giebelwand des Raumes verrieten, dass es sich um eine Veranstaltung der orthodoxen Kirche handelte.
Schließlich klopfte Vater Peter mit dem Ring auf den Tisch. »Wir sind uns also darin einig, wie wir versuchen werden, Otto Forsman aus seiner Wohnung herauszuholen, falls wir ihn finden.«
»Wir finden ihn, Vater Peter. Wir finden ihn ganz bestimmt«, sagte Vater Dimitri entschlossen zu dem zwanzig Jahre jüngeren Lockenkopf, und alle im Raum murmelten zustimmend.
»So ist es«, erwiderte Vater Peter und nickte. »Brüder, setzt euch einen Augenblick hin, bitte.«
Es dauerte eine Weile, bis sich alle neun Kollegen von Vater Peter so weit beruhigt hatten, dass sie sich hinsetzen konnten.
»Wir wissen jetzt also, dank der Informationen von Vikarbischof Furow, dass sich Otto Forsman in einem Haus namens Virola im Stadtteil Kruununhaka versteckt hält«, erklärte Vater Peter und zeigte auf das Meer von Blättern, das den ganzen Tisch bedeckte, und fuhr dann fort:
»Ich werde Forsman wahrscheinlich innerhalb von einigen Stunden finden. Seid bereit und denkt daran, dass wir – wenn alles gelingt – ein Menschenleben retten können. Das ist das Wichtigste.«
Die Geistlichen verließen laut diskutierend den Beratungsraum. Vater Peter jedoch wollte sein Gewissen beruhigen, bevor er sich auf den Weg machte, um den alten Finnen zu suchen. Irgendein Instinkt warnte ihn. Warum hatte der Patriarch ihn geschickt, einen Auftrag auszuführen, von dessen tatsächlichem Zweck er keine Ahnung hatte? Warum interessierte sich der FSB für Forsman und das »Schwert des Marschalls«? Wie könnte das »Schwert des Marschalls« der russischen Kirche angeblich Schaden zufügen? Was verheimlichte der Patriarch?
Vater Peter suchte auf dem Beratungstisch die Zusammenfassung, die er am Vorabend und in der Nacht geschrieben hatte. Er hatte sie schon mehrmals durchgelesen, wusste aber immer noch nicht, was seiner Aufmerksamkeit entgangen war. Irgendetwas an den Informationen rief geradezu danach, beachtet zu werden, aber er begriff einfach nicht, was es war. Noch einmal überflog er den Text: Kiril Wladimir Antonow, geboren 1930 in Jaroslawl. Leningrader Geistliches Seminar und Geistliche Akademie … Abschluss als Kandidat der Theologie und Priesterweihe 1960. Stellvertretender Leiter der Auslandsabteilung der russischen Kirche im September 1971 … Im November desselben Jahres Ernennungund Weihe zum Bischof Wladimir des Bistums Leningrad und Nowgorod. Beförderung zum Erzbischof im Juni 1974 und im Dezember desselben Jahres Ernennung zum Kanzleichef des Moskauer Patriarchats und zum ständigen Mitglied des Heiligen Synods. Im Februar 1978 wurde Erzbischof Wladimir zum Metropoliten erhoben, und zum Patriarchen am 7. Juni 1990.
Vater Peter hätte am liebsten aufgegeben, im Lebenslauf des Patriarchen fand sich nichts Verdächtiges. Aber irgendetwas von dem, was der Patriarch zwei Tage zuvor gesagt hatte, beschäftigte ihn immer noch, aber es tauchte nicht aus seinem Unterbewusstsein auf. Dann musste er an Vikar Furow denken und war sich plötzlich gar nicht mehr sicher, wer in der Kirche der Heiligen Väter was gesagt hatte.
Patriarch Wladimir II. erging sich im Park seiner Sommerresidenz in Peredelkino am Rande Moskaus und blieb im Schatten einer mächtigen Eiche stehen. Die Beine taten ihm weh, und beim Atmen hörte man ein pfeifendes Geräusch. Das Alter forderte seinen Tribut, wenn der Mensch Mitte siebzig war, dachte er ständig an seine Sterblichkeit. Aus der begeisterten Miene von Vikar Furow schloss er, dass der das bevorstehende Telefongespräch ebenso hoffnungsvoll erwartete wie er selbst. Die Hitze schien dem spindeldürren Furow nichts auszumachen, aber die Stirnadern
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