Arto Ratamo 7: Der Finne
Auslandsnachrichtendienst und vor allem zum FSB geschaffen.«
Der Patriarch musterte Furow. Dessen Eifer machte ihn unruhig. »Das dürfte mehr Präsident Bukins Verdienst sein als meines.«
»Aber Sie haben erreicht, dass sich der Präsident für dieses Programm interessierte, und deshalb hat der Präsident die Unterstützung des FSB für die Kirche angeordnet.« Furows Enthusiasmus erlahmte nicht. »Jetzt führt der Geheimdienst für uns Krieg gegen religiöse Sekten, die dem Staat gefährlich sind. Es war genial, den Präsidenten davon zu überzeugen, dass die anderen Glaubensrichtungen nicht nur für die orthodoxe Kirche, sondern auch für die gesamte russische Gesellschaft und Kultur eine Bedrohung darstellen.«
Der Saum der Mantia raschelte, als der Patriarch Furow den Rücken zuwandte, weil er ihm seine Verärgerung nicht zeigen wollte. Er strich über seinen langen weißen Bart und dachte, dass der FSB tatsächlich sein ganzes Arsenal zum Schutz der Kirche einsetzte. Andere Glaubensgemeinschaften wurden drangsaliert, und gegen ihre Vertreter erhob man Anklage. Der FSB verlangte von den protestantischen Kirchen deren Mitgliedslisten, Vertreter von Gemeinden, die sich widersetzten, wurden zu Verhören geladen. Man drohte, Kirchen zu schließen, römisch-katholische Pfarrer wurden des Landes verwiesen, und die Medien fütterte man mit gefälschten Informationen und Lügen über andere Glaubensgemeinschaften. Der FSB unterschied sich kaum noch vom KGB aus der Zeit des Kommunismus, und Präsident Bukin verhielt sich genau so diktatorisch wie seinerzeit die Generalsekretäre der Kommunistischen Partei.
Furow war vor den Patriarchen getreten und fuhr in seiner Brandrede fort: »Eure Heiligkeit versteht sicher, dass wir den Staat mit Hilfe des ›Opferbuchs‹ in den Würgegriff bekommen werden. Das ›Opferbuch‹ verschafft uns Handlungsfreiheit. Innerhalb weniger Jahrzehnte machen wir die Kirche wieder groß und mächtig. Die Veränderung hat schon einen guten Anfang genommen. Vor allem in der Armee. In deren Gebetsräumen und Kirchen, und das sind Hunderte, arbeiten schon etwa tausend fest angestellte Priester und mindestens genauso viel teilzeitbeschäftigte.«
Wie wenig du doch verstehst, dachte der Patriarch, schwieg aber. Er wusste, dass Präsident Bukin die Stellung der Kirche nur deshalb stärkte, weil er ihre Beliebtheit zur Festigung seiner eigenen Macht nutzen wollte.
»Jetzt werden deine Fähigkeiten als Diplomat getestet, künftig musst du möglichst schnell in Erfahrung bringen, welche Absichten der FSB verfolgt. Wenn die Kirche das ›Opferbuch‹ nicht bekommt, bist du schuld«, sagte der Patriarch und bedeutete Furow, sich zu entfernen.
Patriarch Wladimir II. von Moskau und ganz Russland setzte sich auf einen Hocker unter der Eiche, lauschte den Stimmen des Sommers und spürte die Last der Geschichte auf seinen Schultern. Nach dem Massenmord in Nowgorod im Jahre 1570 hatte der Metropolit Filip begonnen das »Op ferbuch « zu führen, und nun, fast fünfhundert Jahre später, hatte er, Patriarch Wladimir II., die Ehre, sich in die Schar der Männer des Glaubens einzureihen, die Informationen für das »Opferbuch« geliefert hatten. Es war sein Verdienst, dass Beweise für einen Befehl Bukins zu dem Biowaffenforschungsprogramm »Ikarus«, das seit dem Jahre 2000 lief und gegen internationale Abkommen verstieß, in das »Op ferbuch « aufgenommen wurden. Es war sein Verdienst, dass dieses »Opferbuch« Präsident Bukin vernichten würde – sobald die Kirche, sobald er es in der Hand haben würde.
26
Im Westen der Provinz Uusimaa, Freitag, 11. August
Der knatternde Golf hielt auf dem Hof der Blockhütte, die am Nordufer des Pusulanjärvi zwischen mächtigen Kiefern stand. Arto Ratamo stieg hinten aus, dehnte und streckte seine Beine, die nach den Anstrengungen der letzten Tage ganz steif geworden waren, und marschierte dann mit schnellen Schritten zum See. Einen solch heißen Tag verbrachten Nelli, Ketonen und Marketta garantiert am Ufer neben dem Grill. Es duftete nach Gras, Insekten summten, und Ratamo wurmte es, dass er in seinem Urlaub arbeiten musste. Letzte Nacht hatte er zur Abwechslung einmal in einem Turkuer Hotel schlecht geschlafen. Und außerdem nervte es ihn auch, dass Sutela während der ganzen Fahrt von seinem Vater gesprochen hatte. Die Probleme im Verhältnis zwischen Vater und Sohn hörten sich fast genau so an wie jene, die er mit Tapani Ratamo gehabt hatte. Waren denn
Weitere Kostenlose Bücher