Arto Ratamo 7: Der Finne
alle Männer aus der Kriegszeit Väter geworden, die sich in ihren Panzer zurückgezogen und viel Distanz zu ihren Kindern gehabt hatten?
Ratamo warf einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass Sutela und Otsamo sahen, in welche Richtung er lief. Das Duo ging ihm allmählich auf die Nerven. Kein Wunder, schließlich fühlte er sich in keiner Gruppe lange wohl, mit diesen beiden Turteltauben hatte er aber nun schon drei ganze Tage verbringen müssen. Und die Schuld daran trug Jussi Ketonen.
Nelli, die am Schilfrand auf einer Luftmatratze schaukelte, sah ihren Vater und ruderte mit den Händen zumUfer. Ratamo hatte richtig geraten, nach dem hellgrauen Rauch zu schließen war der Grill, den Ketonen im letzten Sommer gemauert hatte, in Betrieb, und Marketta mit Panamahut, die gerade den Gartentisch deckte, briet irgendetwas. Ketonen lag in einem Liegestuhl, er trug Trainingshosen und ein Hawaiihemd so groß wie ein Zelt.
Ratamo winkte seiner Tochter, die sich dem Ufer näherte, reichte Marketta eine unterwegs gekaufte geräucherte Maräne und riss Ketonen die Zeitung vom Gesicht. »Schön, dass wenigstens einer in aller Ruhe Urlaub machen kann«, fuhr er ihn verärgert an. »Wir müssen miteinander reden.«
»Gut, dass du diesen Räucherfisch mitgebracht hast«, sagte Marketta, als sie sah, dass Ratamos Begleiter zum Ufer kamen. »Aber ich werde wohl sicherheitshalber noch ein wenig mehr Wurst auf den Grill legen.«
Ketonen grinste, als Marketta in eine andere Richtung schaute. »Und ich bekomme Diät. Wenn ich zynischer wäre, hätte ich möglicherweise schon den Verdacht, dass Marketta versucht mich verhungern zu lassen«, flüsterte er Ratamo zu.
»Der Weg zum Herzen eines Mannes verläuft nicht durch den Magen, sondern durch das Brustbein«, erwiderte Ratamo kühl.
Die helle Labradorhündin Musti, die unter Ketonens Stuhl lag, erhob sich, begrüßte Ratamo und rannte dann hinkend zu Nelli, die vom Ufer kam und sich mit einem Handtuch ihre langen blonden Haare trocknete.
Ratamo überlegte, wann der richtige Augenblick wäre, Nelli nach ihrem Freund zu fragen. »Musti scheint das Bein jetzt noch mehr weh zu tun«, sagte er und beugte sich vor, um seiner Tochter einen Kuss zu geben.
Nelli vereitelte den Versuch, indem sie ihm kichernd das nasse Handtuch ins Gesicht drückte. Dann wurde sie ernst. »Sie hat am Bein irgendeinen Knoten. Wir haben das mit Jussi zusammen gefühlt.«
Ratamo hockte sich neben dem Hund hin und fand nach einer Weile eine weiche Beule in der Leistengegend der Hündin. »Ich bringe sie zum Tierarzt, sobald ich … dazu komme. Das ist kaum etwas Ernsthaftes.«
In dem Moment erschienen Eerik Sutela und Taru Otsamo am Grill, und Ratamo stellte seine Reisegefährten vor.
»Du siehst übrigens deinem Vater überhaupt nicht ähnlich«, sagte Ketonen, als er Sutela die Hand gab.
»Hat man ihn schon gefunden?«, fragte Sutela Ketonen, dabei wurde ihm sofort klar, dass er sich nicht gerade sehr hoffnungsvoll anhörte. Fortwährend vergaß er, dass er der Einzige war, der vom freiwilligen Untertauchen seines Vaters wusste.
»Ich bin Rentner und nicht mehr bei der SUPO, schon seit zwei Jahren, aber …«
Ratamo unterbrach Ketonen. »Wollen wir uns nicht an den Tisch setzen.« Er achtete sehr genau darauf, über welche Dinge gesprochen wurde, wenn Nelli zuhörte. Das zwölfjährige Mädchen sollte seine Kindheit so lange wie möglich unbeschwert genießen können, bald würde sie ohnehin mit den erbärmlichen Seiten des Lebens konfrontiert werden und ihnen danach nicht mehr entfliehen können.
Die Gäste zogen sich noch etwas luftiger an, während Marketta neue Kartoffeln, Salat, gegrillte Maiskolben, mit Blauschimmelkäse gefüllte Champignons, Ratamos Räucherfisch und einige brutzelnde Grillwürste auf den weißen Gartentisch stellte. Ketonen hatte sie eine fertige Portion aufgetan – Salat, Fisch und ein gegrilltes belegtes Brot. Der Exchef der SUPO versuchte sein Hawaiihemd in die Shorts zu stopfen, aber der Stoff war nicht elastisch genug und passte deshalb nicht über seinen Bauch, der die Maße eines Waschkessels erreicht hatte. Resigniert betrachtete er sein Brot. »Habt ihr übrigens bemerkt, dass fettarmer Käse auf dem Grill zu so einer leckeren Haut schmilzt, die aussiehtwie Folie? Und sie schmeckt auch ein wenig nach Kunststoff …«
Markettas eisiger Blick ließ den Hausherrn verstummen, und für einen Augenblick hörte man am Tisch nur Essgeräusche. Ketonen
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