Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
sah ich in seiner Wange einen Muskel zucken. »In zwei Tagen«, befahl Arthur – es war ein Befehl, kein Vorschlag –, »treffen wir uns in London. Dort werden wir über unseren Frieden sprechen.« Er schob den blutigen Dolch in seinen Gurt, und als ich seine Worte übersetzt hatte, winkte er mich zu sich. Er wartete Cerdics Antwort nicht ab, sondern führte mich den Hang hinauf, bis wir außer Hörweite der beiden Delegationen waren. Hier nahm er erstmals Notiz von meiner Schulter. »Wie schlimm ist es mit Eurer Wunde?« erkundigte er sich.
»Sie wird heilen«, antwortete ich.
Er blieb stehen, schloß die Augen und atmete tief durch.
»Was Cerdic will«, erklärte er mir, als er die Augen wieder öffnete, »ist die Herrschaft über ganz Lloegyr. Aber wenn wir sie ihm überlassen, haben wir statt zwei schwächeren einen schrecklichen Feind gegen uns.« Schweigend ging er ein paar Schritte weiter, trat vorsichtig zwischen den Toten von Aelles Angriff hindurch. »Vor diesem Krieg«, fuhr er dann bitter fort,
»war Aelle mächtig und Cerdic lästig, aber nachdem wir Aelle besiegt haben, hätten wir uns gegen Cerdic wenden können. Nun ist es genau anders herum. Aelle ist geschwächt, Cerdic dagegen mächtig.«
»Dann sollten wir jetzt gegen ihn antreten«, sagte ich. Er sah mich aus müden, braunen Augen an. »Seid ehrlich, Derfel«, sagte er leise, »ohne zu prahlen. Werden wir diesen Kampf gewinnen?«
Ich musterte Cerdics Heer. Es war in dichten Reihen aufmarschiert und schlachtbereit, während unsere Männer erschöpft und hungrig waren; aber Cerdics Männer hatten Arthurs Reiter noch nicht erlebt. »Ich glaube, wir würden gewinnen, Lord«, sagte ich aufrichtig.
»Ich auch«, stimmte mir Arthur zu, »aber es würde ein schwerer Kampf werden, Derfel, und danach hätten wir mindestens einhundert Verwundete, die wir mit uns nach Hause zurücktragen müßten, und die Sachsen würden alle Garnisonen in Lloegyr zusammentrommeln, damit sie sich uns entgegenstellen. Möglich, daß wir Cerdic hier besiegen, aber wir würden niemals lebend nach Hause zurückkehren. Dafür sind wir viel zu tief drin in Lloegyr.« Bei dieser Vorstellung verzog er das Gesicht. »Und wenn wir uns noch weiter schwächen, indem wir gegen Cerdic kämpfen, glaubt Ihr, Aelle würde uns auf dem Heimweg keinen Hinterhalt legen?« Er wurde von plötzlich aufsteigendem Zorn geschüttelt. »Was hat sich Lancelot eigentlich gedacht? Ich kann mich nicht mit Cerdic verbünden! Er wird halb Britannien erobern, sich gegen uns wenden, und wir werden einen sächsischen Feind haben, der doppelt so schrecklich ist wie zuvor.« Er stieß einen seiner seltenen Flüche aus und rieb sich mit der behandschuhten Hand über das knochige Gesicht. »Nun ja, die Suppe ist verschüttet«, fuhr er verbittert fort, »aber wir werden sie dennoch auslöffeln müssen. Die einzige Lösung wäre, Aelle so viel Stärke zu lassen, daß er noch immer einschüchternd auf Cerdic wirkt, also nehmt Euch sechs von meinen Reitern und sucht ihn mir. Sucht ihn, Derfel, und macht ihm dieses verdammte Ding zum Geschenk.« Damit reichte er mir Cerdics Dolch. »Aber reinigt ihn zuvor«, sagte er gereizt. »Und sein Bärenfell könnt Ihr ihm auch mitbringen. Agravain hat es gefunden. Gebt ihm das als zweites Geschenk und sagt ihm, er soll nach London kommen. Sagt ihm, ich schwöre ihm eidlich Sicherheit, und sagt ihm, das sei seine einzige Chance, ein Stück Land zu behalten. Ihr habt zwei Tage, Derfel.«
Ich zögerte – nicht, weil ich anderer Meinung war, sondern weil ich nicht begriff, warum Aelle nach London kommen sollte. »Weil ich«, antwortete Arthur müde, »nicht ruhig in London verweilen kann, solange Aelle in Lloegyr frei herumläuft. Er mag sein Heer hier verloren haben, aber er hat genügend Garnisonen, um ein neues aufzustellen – und während wir uns noch aus der Verstrickung mit Cerdic lösen, könnte er halb Dumnonia in Schutt und Asche legen.« Er wandte sich um und starrte böse zu Lancelot und Cerdic hinunter. Ich dachte schon, er werde wieder fluchen, aber er stieß nur einen resignierten Seufzer aus. »Ich werde Frieden schließen, Derfel. Die Götter wissen, daß es nicht der Friede ist, den ich wollte, aber wir sollten ihn dennoch in angemessener Form schließen. Und jetzt geht, mein Freund, geht.«
Ich blieb noch lange genug, um sicherzustellen, daß Issa sich gebührend um die Verbrennung von Cavans Leichnam kümmern und das Schwert des toten Iren in einem
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