Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Titel: Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
einbezogen wurden. Selbst Mordred zeigte ein gewisses Interesse, vielleicht weil ihm klar wurde, daß diese Zeremonie ihn von jeglicher Disziplin befreien würde. »Ihr müßt Euch entscheiden«, erklärte ich ihm eines Tages, »wer Euch zum König ausrufen soll.«
    »Das wird doch Arthur tun, oder?« fragte er verdrossen.
    »Normalerweise geschieht das durch einen Druiden«, erklärte ich, »doch wenn Ihr eine christliche Zeremonie wollt, müßt Ihr zwischen Emrys und Sansum wählen.«
    Er zuckte die Achseln. »Wohl eher Sansum, glaube ich.«
    »Dann sollten wir ihn aufsuchen«, schlug ich vor. An einem kalten Tag im Winter machten wir uns auf den Weg. Ich hatte noch anderes in Ynys Wydryn zu erledigen, aber zuerst begab ich mich mit Mordred zum Heiligtum der Christen, wo uns ein Priester sagte, Bischof Sansum lese gerade die Messe, wir müßten warten. »Weiß er, daß sein König hier ist?« fuhr ich den Mann an.
    »Ich werd’s ihm ausrichten, Lord«, gab der Priester zurück und trippelte über den gefrorenen Boden ins Haus. Mordred war davongeschlendert und stand am Grab seiner Mutter, vor dem selbst an diesem eisigen Tag etwa ein Dutzend Pilger knieten und beteten. Es war ein sehr schlichtes Grab, nichts als ein flacher Erdhügel mit einem Steinkreuz, das neben der Bleiurne, die Sansum für die Gaben der Pilger aufgestellt hatte, winzig wirkte. »Der Bischof wird uns bald empfangen«, sagte ich zu ihm. »Wollen wir drinnen warten?«
    Er schüttelte den Kopf und musterte stirnrunzelnd den flachen, grasbewachsenen Hügel. »Sie sollte ein schöneres Grab haben«, stellte er fest.
    »Das ist wahr«, stimmte ich ihm zu. Ich war überrascht, daß
    er überhaupt etwas gesagt hatte. »Ihr könntet eins anlegen lassen.«
    »Es wäre angemessener gewesen, wenn andere ihr diese Ehre erwiesen hätten«, entgegnete er scharf.
    »Lord König«, erwiderte ich. »Wir waren so sehr damit beschäftigt, das Leben ihres Kindes zu verteidigen, daß uns keine Zeit blieb, uns auch noch um ihre Knochen zu kümmern. Doch Ihr habt recht, und wir waren nachlässig.«
    Finster trat er gegen die Urne und spähte dann hinein, um die armseligen Schätze zu begutachten, die die Pilger hinterlassen hatten. Jene, die am Grab beteten, wichen zurück – nicht etwa aus Angst vor Mordred, den sie, wie ich vermutete, nicht einmal erkannten, sondern weil das eiserne Amulett, das ich um den Hals trug, weithin verkündete, daß ich ein Heide war.
    »Warum wurde sie beerdigt?« fragte mich Mordred plötzlich.
    »Warum wurde sie nicht verbrannt?«
    »Weil sie eine Christin war«, antwortete ich und verbarg mein Erschrecken über seine Unwissenheit. Dann erklärte ich ihm, die Christen glaubten, ihre Körper bei der Wiederkehr Christi wiederverwenden zu müssen, während wir Heiden in der Anderwelt neue Schattenkörper annähmen und daher unseren Leichnam nicht brauchten. Dieser wurde dann, falls möglich, verbrannt, damit unser Geist nicht auf der Erde umherwanderte. Und wenn wir uns kein Totenfeuer leisten konnten, verbrannten wir wenigstens die Haare des Toten und schlugen ihm einen Fuß ab.
    »Ich werde ihr ein Grabmal errichten«, verkündete er, als ich mit meiner Theologielektion fertig war. Als er mich fragte, wie seine Mutter gestorben sei, erzählte ich ihm die ganze Geschichte, wie Gundleus von Siluria sich auf hinterhältige Art und Weise mit Norwenna vermählt hatte, und sie dann, als sie vor ihm kniete, ermordete. Und ich erzählte ihm, wie Nimue sich an Gundleus gerächt hatte.
    »Diese Hexe!« schimpfte Mordred. Er fürchtete Nimue, und das war nicht verwunderlich, denn sie wurde immer verbissener, immer magerer und immer schmutziger. Sie lebte inzwischen als Einsiedlerin und fristete ihr Leben von den Brosamen, die auf Merlins Grund und Boden abfielen. Dort murmelte sie ihre Zaubersprüche, entzündete ihren Göttern Feuer und empfing nur wenige Besucher. Sie selbst kam gelegentlich – und immer unangemeldet – nach Lindinis, um sich mit Merlin zu beraten. Ich versuchte sie bei diesen seltenen Gelegenheiten ein wenig herauszufüttern, die Kinder aber ergriffen vor ihr die Flucht, bis sie sich wieder davonmachte – unverständlich vor sich hin murmelnd, mit ihrem einen Auge wilde Blicke um sich werfend, in einem Gewand, das vor Schlamm und Asche starrte, und mit völlig verfilzten, verdreckten Haaren. Sie mußte mit ansehen, wie der christliche Schrein zu Füßen ihres Zufluchtsortes auf dem Tor immer größer, immer mächtiger und

Weitere Kostenlose Bücher