Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
Steuern, noch der Zustand der Straßen, er ignorierte sie ganz einfach. Da sie auch vor seiner Herrschaft schon ignoriert worden waren, bemerkte niemand den Unterschied. Lancelot war, genau wie Guinevere, nur am eigenen Wohlergehen interessiert, und genau wie sie baute er sich einen prunkvollen Palast. Er war mit Statuen angefüllt, an den Wänden prangten Gemälde und natürlich beherbergte er seine extravagante Sammlung von Spiegeln, in denen er nach Herzenslust das eigene, vielfach reflektierte Bild betrachten konnte. Das Geld für diesen Luxus wurde als Steuern erhoben, und wenn diese Steuern auch schwer drückten, so blieb das Land der Belgen dafür von sächsischen Überfällen verschont. Cerdic hielt erstaunlicherweise sein Lancelot gegebenes Wort, und Lancelots fruchtbares Ackerland wurde niemals von den gefürchteten Speerkämpfern der Sais heimgesucht.
Aber sie brauchten das Land auch nicht zu überfallen, denn Lancelot hatte sie selbst aufgefordert, in sein Königreich zu kommen und dort zu leben. Da das Land durch die langen Kriegsjahre entvölkert war und guter Ackerboden über weite Strecken verwilderte, lud Lancelot Siedler aus Cerdics Volk ein, die brachliegenden Felder zu bestellen. Die Sachsen schworen Lancelot den Treueeid, rodeten das verwaldete Land, bauten neue Dörfer, bezahlten ihre Steuern, und ihre Speerkämpfer marschierten sogar in Lancelots Kriegshorden. Seine Palastwache bestand, wie wir hörten, nur noch aus Sachsen. Die Sachsengarde nannte er sie, und er hatte sie aufgrund ihrer Größe und Haarfarbe persönlich ausgewählt. Ich bekam sie in jenen Jahren nicht zu sehen, eines Tages aber begegnete ich ihnen doch noch und entdeckte, daß sie allesamt hochgewachsen und blond waren und Äxte mit sich trugen, die sie poliert hatten, bis sie spiegelten. Man munkelte, daß
Lancelot Cerdic Tribut zahle, aber das wies Arthur zornig zurück, als unser Kronrat ihn fragte, ob es zutreffe. Arthur mißbilligte es, daß sächsische Siedler auf britannisches Land gesetzt wurden, aber das, erklärte er, sei Lancelots Sache, nicht die unsere, und das Land lebe wenigstens in Frieden. Frieden schien einfach alles zu rechtfertigen.
Lancelot prahlte sogar damit, daß er seine Sachsengarde zum Christentum bekehrt habe. Seine Taufe war, wie es schien, doch nicht nur Theater gewesen, sondern ehrlich und aufrichtig gemeint; das jedenfalls erklärte mir Galahad bei einem seiner häufigen Besuche in Lindinis. Er beschrieb die Kapelle, die Sansum im Palast von Venta gebaut hatte, und berichtete, daß
dort täglich ein Chor singe und eine Schar von Priestern die christlichen Mysterien zelebriere. »Es ist alles wirklich sehr schön«, sagte Galahad wehmütig. Das war, bevor ich die Raserei in Isca sah und keine Ahnung von derartigen Auswüchsen hatte; deswegen fragte ich ihn auch nicht, ob so etwas in Venta auch vorkomme und ob sein Bruder Dumnonias Christen darin bestärke, in ihm einen Erlöser zu sehen.
»Hat das Christentum Euren Bruder verändert?« wollte Ceinwyn wissen.
Galahad beobachtete ihre flinken Hände, die einen Faden vom Rocken auf die Spindel drehten. »Nein«, räumte er ein.
»Er glaubt, es reicht, wenn er einmal am Tag betet; danach benimmt er sich dann, wie es ihm paßt. Aber nun ja, so sind leider viele Christen.«
»Und wie benimmt er sich?« fragte Ceinwyn.
»Ziemlich schlecht.«
»Soll ich hinausgehen«, erkundigte sich Ceinwyn liebenswürdig, »damit Ihr Derfel alles haarklein erzählen könnt, ohne mich in Verlegenheit zu bringen? Und er es mir später erzählen kann, wenn wir uns zu Bett begeben?«
Galahad lachte. »Er langweilt sich, Lady, und vertreibt sich die Langeweile auf die übliche Art und Weise. Er geht auf die Jagd.«
»Das tun Derfel und ich auch. Jagen ist doch nicht schlimm.«
»Er jagt junge Mädchen«, erläuterte Galahad ausdruckslos.
»Er behandelt sie nicht schlecht, aber er läßt ihnen kaum eine Wahl. Manche mögen das sogar, und sie alle werden reich. Aber sie werden auch seine Huren.«
»Da unterscheidet er sich kaum von anderen Königen«, stellte Ceinwyn trocken fest. »Ist das alles?«
»Er steckt stundenlang mit den beiden gräßlichen Druiden zusammen«, erzählte Galahad, »und kein Mensch weiß, warum ein christlicher König so etwas tut – er aber behauptet, es sei nur Freundschaft. Er unterstützt seine Dichter, er sammelt Spiegel, und er besucht Guinevere in ihrem Seepalast.«
»Wozu?« fragte ich ihn.
»Um Gespräche mit ihr zu
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