Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
erobern? Kein Wunder, daß alle anständigen Krieger zu mir herüberkommen. Aber was soll ich mit den Kerlen anfangen?«
»Schickt sie zurück, damit sie Padraig töten«, schlug ich vor.
»Der ist schon tot, Derfel, aber seine Anhänger sind um so lebendiger.« Oengus hatte mich in eine Ecke des Innenhofes gezogen, wo er stehenblieb und mir in die Augen sah. »Wie ich hörte, habt Ihr versucht, meine Tochter zu retten.«
»Das tat ich, Lord«, gab ich zurück. Ich sah, daß Ceinwyn aus dem Palast gekommen war und Arthur umarmte. Die beiden hielten einander umschlungen, während sie redeten, und Ceinwyn warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. Ich wandte mich wieder zu Oengus. »Ich habe das Schwert für sie gezogen, Lord König.«
»Das war nett von Euch, Derfel«, sagte er achtlos, »das war wirklich nett von Euch, aber es ist nicht weiter wichtig. Ich habe mehrere Töchter. Ich kann mich nicht einmal mehr genau erinnern, welche von ihnen Iseult war. Mageres, kleines Ding, oder?«
»Ein wunderschönes junges Mädchen, Lord König.«
Er lachte. »Wenn man alt wird, ist alles schön, was jung ist. Eine Schönheit habe ich allerdings in meiner Brut. Argante heißt sie und wird wohl einige Herzen brechen, bevor ihr Leben zu Ende geht. Euer neuer König wird vermutlich eine Braut suchen. Das stimmt doch – oder?«
»Das nehme ich an.«
»Argante wäre die richtige für ihn«, behauptete Oengus. Damit, daß er seine schöne Tochter als Königin von Dumnonia vorschlug, wollte er Mordred nicht etwa einen Gefallen tun, sondern sicherstellen, daß Dumnonia Demetia auch weiterhin vor den Männern aus Powys schützte. »Vielleicht bringe ich Argante ja mal auf einen Besuch hierher«, sagte er. Damit beendete er das Thema einer potentiellen Vermählung und stieß mich mit seiner narbigen Faust vor die Brust. »Hört zu, mein Freund«, sagte er nachdrücklich, »es lohnt sich nicht, sich wegen Iseult mit Arthur zu verfeinden.«
»Seid Ihr deswegen hergekommen, Lord?« fragte ich ihn argwöhnisch.
»Selbstverständlich, Ihr Narr!« antwortete Oengus munter.
»Und weil ich all diese Christen auf dem Caer nicht ertragen kann. Schließt Frieden mit Arthur, Derfel. Britannien ist nicht so groß, daß anständige Männer es sich leisten könnten, einander ins Gesicht zu spucken. Wie ich hörte, lebt Merlin hier?«
»Ihr findet ihn dort drüben.« Ich zeigte auf den Torbogen zu einem Garten, in dem Ceinwyns Rosen blühten. »Jedenfalls das, was von ihm übriggeblieben ist.«
»Dann werde ich jetzt mal versuchen, dem alten Bastard ein bißchen Leben einzuhauchen. Vielleicht kann er mir ja erklären, was an einem Kleeblatt so Besonderes ist. Außerdem brauche ich einen Zauber, damit ich neue Töchter machen kann.« Lachend wandte er sich ab und ging davon. »Ich werde alt, Derfel, ich werde alt!«
Arthur übergab meine drei Töchter ihrer Mutter Ceinwyn und ihrem Onkel Cuneglas und kam langsam zu mir herüber. Ich zögerte und deutete dann auf das äußere Tor. Vor ihm trat ich auf die Wiesen hinaus, wo ich wartete und zu Caer Cadarns bannergeschmückten Wällen über den dazwischen wachsenden Bäumen emporblickte.
Er blieb hinter mir stehen. »Bei Mordreds erster Proklamation«, begann er leise, »sind wir beiden, Ihr und ich, Tristan zum erstenmal begegnet. Erinnert Ihr Euch?«
Ich wandte mich nicht um. »Ja, Lord.«
»Ich bin nicht mehr Euer Lord, Derfel«, widersprach er. »Der Eid, den wir Uther geleistet haben, ist erfüllt. Das ist abgeschlossen. Ich bin nicht Euer Lord, aber ich wäre gern Euer Freund.« Er zögerte. »Und das, was geschehen ist«, fuhr er dann fort, »tut mir von Herzen leid.«
Noch immer wandte ich mich nicht um. Nicht aus Stolz, sondern weil mir die Tränen in den Augen standen. »Mir tut es ebenfalls leid«, sagte ich.
»Wollt Ihr mir vergeben?« fragte er mich demütig. »Wollen wir wieder Freunde sein?«
Ich starrte auf den Caer hinüber und dachte an all die vielen Dinge, die ich selbst getan hatte und die Vergebung erforderten. Ich dachte an die Toten im Moor. Damals war ich ein junger Speerkämpfer gewesen, aber Jugend ist keine Entschuldigung für Mord. Es ist nicht an mir, Arthur für seine Taten zu vergeben, dachte ich. Das muß er selber tun. »Wir werden wieder Freunde sein«, gab ich zurück. »Bis in den Tod.« Damit wandte ich mich zu ihm um.
Wir umarmten einander. Der Eid, den wir Uther geleistet hatten, war erloschen. Und Mordred war König.
VIERTER TEIL
Die Mysterien der
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