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Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Titel: Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Isis

    » W ar Iseult schön?« fragte Igraine mich. Ein paar Herzschläge lang dachte ich über ihre Frage nach.
    »Sie war jung«, antwortete ich schließlich, »und wie schon ihr Vater sagte …«
    »Ich habe gelesen, was ihr Vater sagte«, fiel Igraine mir unwirsch ins Wort. Wenn sie nach Dinnewrac kommt, setzt sich Igraine jedesmal hin und liest die fertigen Pergamente durch, bevor sie auf dem Fenstersitz Platz nimmt, um sich mit mir zu unterhalten. Heute ist dieses Fenster mit einem Ledervorhang verhüllt, um die Kälte aus dem Raum fernzuhalten, den die Binsenfackeln auf meinem Schreibtisch nur unzulänglich erleuchten. Außerdem ist er voll Rauch, weil der Wind im Norden steht und der Rauch des Feuers den Weg nicht aus der Dachöffnung findet.
    »Es ist schon lange her«, sagte ich müde, »und ich habe sie nur einen Tag und zwei Nächte lang gesehen. In meiner Erinnerung ist sie schön, vermutlich aber machen wir die Toten immer schön, wenn sie jung sterben.«
    »In den Liedern heißt es, daß sie schön war«, gab Igraine wehmütig zurück.
    »Ich habe die Barden für diese Lieder bezahlt«, sagte ich. Genau wie ich Männer dafür bezahlt hatte, daß sie Tristans Asche nach Kernow brachten. Es ist nur recht, hatte ich damals gedacht, daß Tristan im Tod in seine Heimat zurückkehrt. Ich hatte seine Knochen mit denen von Iseult vermischt und seine Asche mit der ihren – sowie zweifellos mit einer gehörigen Portion gewöhnlicher Holzasche –, und das Ganze in einem Krug versiegelt, den ich in jener Halle fand, in der sie ihren unerfüllbaren Liebestraum geteilt hatten. Damals war ich reich gewesen, ein großer Lord, Herr über Sklaven, Diener und Speerkämpfer, reich genug, um ein Dutzend Lieder über Tristan und Iseult zu kaufen, die bis auf den heutigen Tag in allen Festhallen gesungen werden.
    Außerdem hatte ich dafür gesorgt, daß die Schuld am Tod der beiden in diesen Liedern Arthur angelastet wurde.
    »Aber warum hat Arthur das nur getan?« wollte Igraine wissen.
    Mit meiner einen Hand rieb ich mir das Gesicht. »Für Arthur war die Ordnung eine Art Kult«, erklärte ich ihr. »Ich glaube sogar, daß er gar nicht wirklich an die Götter glaubte. O ja, an ihre Existenz glaubte er schon, er war nicht dumm – aber er glaubte nicht, daß sie sich für uns noch groß interessierten. Ich erinnere mich, daß er einmal lachte und behauptete, es sei arrogant von uns anzunehmen, die Götter hätten nichts Besseres zu tun, als sich Sorgen um uns zu machen. Verbringen wir schlaflose Nächte, nur weil eine Maus im Stroh raschelt, fragte er mich. Warum also sollten sich die Götter um uns kümmern? Daher war alles, was ihm noch blieb, wenn man die Götter ausnahm, die Ordnung, und das einzige, womit die Ordnung aufrechterhalten wurde, war das Gesetz, und das einzige, was die Mächtigen veranlaßte, das Gesetz zu befolgen, waren ihre Eide. So einfach war das.« Ich zuckte die Achseln.
    »Er hatte natürlich recht; er hatte eigentlich fast immer recht.«
    »Er hätte sie am Leben lassen sollen«, beharrte Igraine.
    »Er gehorchte dem Gesetz«, widersprach ich traurig. Ich habe es oft bedauert, dafür gesorgt zu haben, daß die Barden Arthur die Schuld gaben, er aber hatte es mir verziehen.
    »Und Iseult wurde wirklich bei lebendigem Leibe verbrannt?« Igraine erschauerte. »Und Arthur hat das einfach zugelassen?«
    »Er konnte sehr hart sein«, gab ich zurück. »Das mußte er sein, denn wir anderen konnten, weiß Gott, allesamt ziemlich weich sein.«
    »Er hätte sie verschonen müssen«, beharrte Igraine.
    »Dann hätte es weder Lieder noch Erzählungen gegeben«, sagte ich. »Sie wären alt, dick und streitsüchtig geworden und dann gestorben. Oder Tristan wäre nach dem Tod seines Vaters nach Kernow zurückgekehrt und hätte sich andere Frauen genommen. Wer weiß?«
    »Wie lange hat Mark noch gelebt?« fragte Igraine.
    »Nur noch ein Jahr«, antwortete ich. »Er starb an Strangurie.«
    »Woran?«
    Ich lächelte. »Einer üblen Krankheit, Lady, die sich Damen, glaube ich, nicht zuziehen können. Danach wurde ein Neffe König, aber ich kann mich nicht einmal an seinen Namen erinnern.«
    Igraine verzog das Gesicht. »Aber daran, daß Iseult aus dem Meer gelaufen kam, daran könnt Ihr Euch erinnern, was?« warf sie mir vor. »Weil ihr Kleid naß war.«
    Ich lächelte. »Als wäre es gestern gewesen, Lady.«
    »Aus dem See Genezareth«, sagte Igraine strahlend, denn soeben hatte der heilige Tudwal unseren Raum

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