Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
seiner tiefen Stimme. »Kommt heraus! Mein König verlangt nach Euch!«
Ich legte den Speer nieder und zog Hywelbane. Die Klinge zischte leise durch die Öffnung der Scheide.
»Kommt heraus!« rief Lavaine abermals.
Ich berührte die beiden Schweineknochen am Heft meines Schwertes und betete zu meinen Göttern, sie möchten mich furchtbar machen in dieser Nacht.
»Wollt Ihr, daß Euer Kind stirbt?« fragte Lavaine, und Dian schrie, als er die Schwertklinge fester an ihren Hals drückte.
»Euer Gemahl ist tot!« rief Lavaine. »Er ist in Powys mit Arthur zusammen gestorben und wird Euch nicht zu Hilfe kommen!« Wieder drückte er mit der Schwertschneide fester zu, und wieder stieß Dian einen lauten Schrei aus. Issa ließ die Hand nicht von meinem Arm. »Noch nicht, Lord«, flüsterte er. »Noch nicht!«
Die Schilde an der Hallentür gaben eine Gasse frei, und Ceinwyn trat heraus. Sie trug einen dunklen Mantel, der am Hals geschlossen war. »Laßt das Kind herunter«, befahl sie Lavaine ruhig.
»Ich lasse das Kind frei, wenn Ihr zu mir kommt«, gab Lavaine zurück. »Mein König verlangt nach Eurer Gesellschaft.«
»Euer König?« fragte Ceinwyn. »Welcher König soll das sein?« Sie wußte genau, wessen Männer in dieser Nacht gekommen waren, denn ihre Schilde allein verrieten das schon, aber sie wollte es Lavaine nicht zu einfach machen.
»König Lancelot«, sagte Lavaine. »König der Belgen und König von Dumnonia.«
Ceinwyn zog sich den dunklen Mantel fester um die Schultern. »Und was wünscht König Lancelot von mir?« fragte sie ihn. Hinter ihr, im hinteren Teil der Halle und nur matt beleuchtet durch das brennende Vorratshaus, erkannte ich weitere von Lancelots Speerkämpfern. Sie hatten die Pferde aus meinen Ställen geholt und beobachteten nun die Konfrontation zwischen Ceinwyn und Lavaine.
»Heute abend, Lady«, erklärte ihr Lavaine, »hat mein König sich eine Gemahlin genommen.«
Ceinwyn zuckte die Achseln. »Dann braucht er mich nicht.«
»Diese Gemahlin, Lady, kann dem König jene Privilegien, die ein Mann in der Hochzeitsnacht verlangt, nicht gewähren. Ihr, Lady, sollt an ihrer Statt seinen Freuden dienen. Es ist eine alte Schuld, die Ihr bei ihm abzutragen habt. Außerdem«, setzte Lavaine hinzu, »seid Ihr nunmehr Witwe. Ihr braucht also einen neuen Mann.«
Ich spannte mich zum Sprung, aber Issa umkrampfte meinen Arm. Einer der sächsischen Gardisten neben Lavaine wurde unruhig, und Issa gab mir wortlos zu verstehen, daß wir warten sollten, bis sich der Mann wieder beruhigte.
Einen Moment senkte Ceinwyn den Kopf; dann blickte sie wieder auf. »Und wenn ich mit Euch komme«, sagte sie mit ausdrucksloser Stimme, »werdet Ihr meine Tochter dann leben lassen?«
»Sie wird leben«, versicherte ihr Lavaine.
»Und alle anderen ebenfalls?« fragte sie und deutete zur Halle zurück.
»Die auch«, versprach Lavaine.
»Dann laßt meine Tochter gehen«, verlangte Ceinwyn.
»Zuerst werdet Ihr herkommen«, gab Lavaine zurück, »und Merlin mitbringen.« Dian versetzte ihm mit ihren nackten Fersen einen Tritt, doch als er das Schwert wieder fester an ihren Hals setzte, wurde sie still. Das Dach des Vorratshauses stürzte ein und schickte einen Funkenregen und brennendes Stroh in den Nachthimmel. Ein paar Flammen landeten auf dem Reetdach der Halle, wo sie schwächlich flackerten. Das vom Stroh aufgesogene Regenwasser schützte die Halle vorerst noch, aber bald mußte das Hallendach in Flammen aufgehen, das war mir klar.
Ich spannte mich zum Angriff, dann aber tauchte Merlin hinter Ceinwyn auf. Sein Bart war, wie ich entdeckte, wieder zu Zöpfen geflochten; er trug seinen großen Stab und stand aufrechter und grimmiger da, als ich ihn seit Jahren gesehen hatte. Er legte den rechten Arm um Ceinwyns Schultern. »Laßt das Kind gehen«, befahl er streng.
Lavaine schüttelte den Kopf. »Wir haben mit Eurem Bart einen Zauber gewirkt, Alter, und Ihr habt keine Macht über uns. Heute abend jedoch werden wir das Vergnügen haben, Eurer Konversation zu lauschen, während unser König sein Vergnügen mit Prinzessin Ceinwyn genießt. Alle beide!«
befahl er. »Sofort hierher!«
Merlin hob den Stab und richtete ihn auf Lavaine. »Beim nächsten Vollmond«, sagte er, »werdet Ihr am Meeresstrand sterben. Ihr und Euer Bruder, Ihr werdet beide sterben, und Eure Schreie werden über die Zeiten hinweg auf den Wogen treiben. Laßt das Kind gehen!«
Hinter mir hörte ich Nimue leise zischeln. Sie hatte
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