Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
meinen Speer aufgehoben und die Lederklappe von ihrer leeren Augenhöhle genommen.
Lavaine ließ sich von Merlins Weissagung nicht weiter beeindrucken. »Beim nächsten Vollmond«, sagte er, »werden wir Eure Barthaare in Stierblut kochen und Eure Seele dem Wurm von Annwn vorwerfen«, fauchte er. »Alle beide jetzt!«
fuhr er auf. »Kommt her!«
»Laßt meine Tochter gehen«, verlangte Ceinwyn.
»Sobald Ihr bei mir seid«, gab Lavaine zurück, »ist sie frei.«
Eine Pause entstand. Ceinwyn und Merlin diskutierten leise. Als Morwenna in der Halle zu weinen begann, wandte sich Ceinwyn um und redete auf ihre Tochter ein. Dann ergriff sie Merlins Hand und begann auf Lavaine zuzugehen. »O nein, nicht so, Lady!« rief Lavaine ihr zu. »Mein Lord Lancelot verlangt, daß Ihr nackt zu ihm kommt. Mein Lord will, daß Ihr nackt durchs Land geführt werdet, nackt durch die Stadt und nackt in sein Bett. Ihr habt ihn gedemütigt, Lady, und heute nacht wird er Euch diese Demütigung hundertfach heimzahlen.«
Ceinwyn erstarrte und funkelte ihn wütend an. Lavaine aber drückte wortlos die Schwertklinge an Dians Kehle. Als das Kind vor Schmerzen aufkeuchte, zerrte Ceinwyn instinktiv an der Spange, die ihren Mantel zusammenhielt, und ließ den Umhang fallen. Darunter kam ein schlichtes, weißes Gewand zum Vorschein.
»Legt das Gewand ab, Lady«, befahl Lavaine ihr herrisch.
»Legt es ab, oder Eure Tochter stirbt!«
Da sprang ich auf. Ich schrie Bels Namen hinaus und stürzte wie ein Wahnsinniger vorwärts. Meine Männer folgten mir, und weitere Männer kamen aus der Halle geströmt, als sie den weißen Stern auf unseren Schilden und die grauen Wolfsruten auf unseren Helmen sahen. Nimue begleitete uns kreischend und heulend, und die Reihe der feindlichen Speerkämpfer wendete sich, wie ich sah, mit Entsetzen. Ich stürzte geradenwegs auf Lavaine zu. Er sah mich, erkannte mich und erstarrte vor Schreck. Er hatte sich als Christenpriester getarnt, indem er sich ein Kreuz um den Hals gehängt hatte. Es war keine gute Zeit, um als Druide gekleidet durch Dumnonia zu reiten, aber für Lavaine war es eine gute Zeit zu sterben. Als ich ihn ansprang, schrie ich den Namen meines Gottes. Dann tauchte ein Sachsengardist vor mir auf, in dessen blanker Axtklinge sich der Feuerschein spiegelte, als er sie gegen meinen Schädel schwang. Ich parierte sie mit meinem Schild, aber die Wucht des Hiebs vibrierte durch meinen ganzen Arm. Dann stieß ich mit Hywelbane zu, drehte die Klinge in seinem Bauch und zog sie inmitten eines Blutschwalls aus den Gedärmen des Sachsen heraus. Issa hatte einen weiteren Sachsen getötet, und Scarach, sein kampflustiges irisches Eheweib, war aus der Halle herausgekommen, um sich mit einer Saufeder eines verwundeten Sachsen anzunehmen, während Nimue ihren Speer einem anderen Mann in den Bauch rammte. Ich parierte einen weiteren Speerstoß, erledigte einen Speerkämpfer mit Hywelbane und hielt verzweifelt Ausschau nach Lavaine. Ich sah, wie er mit Dian in den Armen floh. Er versuchte seinen Bruder hinter der Halle zu erreichen, als ein Ansturm von Speerkämpfern ihm den Weg abschnitt. Als er sich umsah und mich entdeckte, floh er in Richtung Tor. Meine Dian hielt er wie einen Schild vor seinen Körper.
»Ich will ihn lebend!« brüllte ich und stürzte ihm durch das flammenbeschienene Chaos nach. Einem weiteren Sachsen, der mich, den Namen seines Gottes brüllend, aufhalten wollte, schnitt ich den Namen des Gottes mit Hywelbane aus der Kehle. Dann stieß Issa einen Warnruf aus, ich hörte Hufschlag und sah, daß die Feinde, die die Rückseite der Halle bewacht hatten, zu Pferde herbeigesprengt kamen, um ihren Kameraden zu Hilfe zu eilen. Dinas, der wie sein Bruder in das schwarze Gewand eines Christenpriesters gekleidet war, führte die Männer mit gezogenem Schwert.
»Haltet sie auf!« rief ich laut. Ich hörte Dian schreien. Die Feinde gerieten in Panik. Sie waren uns zahlenmäßig überlegen. Aber die Speerkämpfer, die plötzlich aus der tiefschwarzen Nacht hervorbrachen, hatten ihnen die Herzen zerfetzt, und die einäugige Nimue, die wild kreischend ihren Speer schwang, muß ihnen vorgekommen sein wie ein grausiger Dämon, der es auf ihre Seelen abgesehen hatte. Sie flohen entsetzt. Lavaine, der in der Nähe des brennenden Vorratshauses auf seinen Bruder wartete, hielt immer noch sein Schwert an Dians Kehle. Scarach schlich sich, zischend wie Nimue, mit ihrem Schwert an ihn heran, wagte es aber nicht, das
Weitere Kostenlose Bücher