Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Titel: Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
wie ich es von jenem fernen Tag, da ich Arthurs kostbaren Eid auf die Tafelrunde leistete, in Erinnerung hatte, erstreckten sich die beiden mit Arkaden bebauten Wälle zur Bucht hinab. Der Palast lag im vollen Sonnenschein – weiß, grandios und wunderschön. »Wenn die Römer heute zurückkämen«, sagte Arthur stolz, »würden sie nicht erkennen, daß er wiederaufgebaut wurde.«
    »Wenn die Römer heute zurückkämen«, erwiderte Issa,
    »hätten sie einen heißen Kampf zu bestehen.« Ich hatte darauf bestanden, daß er an den Waldrand mitkam, denn ich kannte niemanden, der einen schärferen Blick besaß, und wir mußten den Tag nutzen, um auszuforschen, wie viele Wachen Lancelot im Seepalast zurückgelassen hatte.
    An jenem Morgen zählten wir nicht mehr als ein Dutzend Wachen. Kurz nach Tagesanbruch stiegen zwei Mann zu einer hölzernen Plattform hinauf, die auf den Dachfirst gesetzt worden war, und beobachteten von dort aus die Straße, die nach Norden führte. Vier Speerkämpfer patrouillierten an der uns zugewandten Arkade, und ich hielt es für logisch, daraus zu schließen, daß vier weitere an der westlichen Arkade postiert waren, die wir von unserem Platz aus nicht sehen konnten. Die übrigen Wachen befanden sich auf dem Gelände zwischen einer Terrasse mit Steinbalustrade an der unteren Grenze der Gärten und der Bucht, wo sie augenscheinlich alle Pfade bewachten, die an der Küste entlangführten. Issa unternahm es, das Terrain in jener Richtung zu erkunden, indem er ohne Rüstung und Helm durch den Wald kroch, um einen Blick auf die Fassade der Villa zwischen den beiden Arkaden zu werfen.
    Arthur starrte unentwegt auf den Palast. Er befand sich in stiller Hochstimmung, weil er wußte, daß er kurz davor war, eine Rettungsaktion zu wagen, die Lancelots neues Königreich in seinen Grundfesten erschüttern würde. Tatsächlich hatte ich Arthur kaum jemals so glücklich gesehen wie an jenem Tag. Indem er tief nach Dumnonia hinein vordrang, hatte er sich der Regierungsverantwortung entledigt, und nun hing seine Zukunft, genau wie in der fernen Vergangenheit, ausschließlich von seinem Können als Schwertkämpfer ab. »Habt Ihr je an Vermählung gedacht, Derfel?« fragte er mich plötzlich.
    »Nein, Lord«, antwortete ich. »Ceinwyn hat geschworen, sich niemals zu vermählen, und ich sehe keinen Grund, ihren Entschluß nicht zu respektieren.« Lächelnd berührte ich meinen Liebesring mit dem kleinen Goldsplitter aus dem Kessel. »Aber ich glaube, wir sind enger miteinander vermählt als die meisten Paare, die jemals vor einem Druiden oder Priester gestanden haben.«
    »Das habe ich nicht gemeint«, sagte er. »Habt Ihr jemals über die Ehe nachgedacht?« Er betonte das Wort »nachgedacht«.
    »Nein, Lord«, gestand ich ihm. »Eigentlich nicht.«
    »Sturköpfiger Derfel«, neckte er mich. »Wenn ich sterbe«, sagte er verträumt, »wünsche ich mir, glaube ich, ein christliches Begräbnis.«
    »Warum?« fragte ich ihn entsetzt und berührte mein Kettenhemd, damit das Eisen das Böse abwehre.
    »Weil ich dann auf ewig mit meiner Guinevere
    zusammenliegen werde«, sagte er. »Sie und ich, in einem Grabmal.«
    Ich dachte an Norwennas Fleisch, das ihr von den gelben Knochen hing, und verzog das Gesicht. »Ihr werdet in der Anderwelt mit ihr Zusammensein, Lord.«
    »Unsere Seelen, ja«, räumte er ein, »und unsere Schattenkörper werden dort sein. Aber warum sollten diese Körper nicht ebenfalls Hand in Hand liegen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wenn Ihr nicht wollt, daß Eure Seele ruhelos durch Britannien wandert, laßt Euch verbrennen.«
    »Vielleicht habt Ihr recht«, gab er leichthin zurück. Er lag vor der Villa auf dem Bauch, durch einen luftigen Schutzwall aus Kreuzkraut und Kornblumen verborgen. Keiner von uns trug seine Rüstung. Die Kampfwehr würden wir erst bei der Abenddämmerung anlegen, kurz bevor wir aus der Dunkelheit hervorbrachen, um Lancelots Wachen niederzumachen. »Wie kommt es, daß Ihr und Ceinwyn so glücklich seid?« fragte mich Arthur. Er hatte sich nicht mehr rasiert, seit wir Glevum verlassen hatten, und die Bartstoppeln, die ihm gewachsen waren, schimmerten grau.
    »Freundschaft«, antwortete ich.
    Er krauste die Stirn. »Nur das?«
    Ich dachte darüber nach. In der Ferne gingen die ersten Sklaven zum Heumachen auf die Wiesen; ihre Sicheln funkelten hell im Schein der Morgensonne. Kleine Knaben liefen in den Gemüsegärten auf und ab, um die Eichelhäher aus den Erbsen und den

Weitere Kostenlose Bücher