Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
gern«, sagte sie. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß irgend jemand auf der Welt etwas anderes sein möchte.« Sie lachte, raffte ihr Gewand und ließ sich schwerfällig neben mir nieder. Als die Hunde bei einem Geräusch hinter mir zu knurren begannen, wandte sie sich um und beobachtete belustigt, wie Arthur über den Boden gekrochen kam, um sich zu mir zu gesellen. Er mußte das Gebell gehört haben. »Auf dem Bauch wie eine Schlange, Arthur?« fragte sie ihn.
Genau wie ich legte Arthur den Finger auf die Lippen. »Die kümmern sich nicht um mich«, beteuerte Gwenhwyvach abermals. »Seht doch!« Sie winkte den Wachen heftig mit beiden Armen zu, aber die Männer schüttelten nur den Kopf und wandten sich ab. »Ich existiere nicht«, sagte sie.
»Jedenfalls nicht, soweit es sie betrifft. Ich bin nur die verrückte Dicke, die Guineveres Hunde spazierenführt.« Sie wedelte abermals mit den Armen und wurde abermals von den Wachen ignoriert. »Selbst Lancelot nimmt keine Notiz von mir«, setzte sie traurig hinzu.
»Ist er hier?« erkundigte sich Arthur.
»Natürlich nicht! Er ist weit weg. Genau wie Ihr, wie man mir sagte. Solltet Ihr jetzt nicht mit den Sachsen verhandeln?«
»Ich bin hier, um Guinevere zu holen«, sagte Arthur. »Und Euch auch«, ergänzte er höflich.
»Ich will aber nicht geholt werden«, protestierte Gwenhwyvach. »Und Guinevere weiß nicht, daß Ihr hier seid.«
»Das darf auch niemand wissen«, warnte Arthur.
»Aber sie schon! Guinevere schon! Sie starrt in den Öltopf. Sie kann darin die Zukunft sehen, behauptet sie! Aber Euch hat sie nicht gesehen, was?« Sie kicherte, wandte sich um und starrte Arthur an, als fände sie seine Gegenwart belustigend.
»Seid Ihr gekommen, um sie zu retten?«
»Ja.«
»Heute nacht?« rief Gwenhwyvach.
»Ja.«
»Dann wird sie es Euch nicht danken«, behauptete Gwenhwyvach. »Nicht heute nacht. Keine Wolken, seht Ihr?«
Sie zeigte zum nahezu wolkenlosen Himmel empor. »Wenn’s Wolken gibt, kann man Isis nicht anbeten, wißt Ihr, weil dann der Mond nicht in den Tempel scheint, und heute nacht erwartet sie Vollmond. Einen großen Vollmond, dick wie ein frischer, runder Käse.« Sie kraulte einem der Hunde das langhaarige Fell. »Das hier ist Drudwyn«, erklärte sie uns, »ein ganz böser Junge. Und das da ist Gwen. Plopp!« machte sie unvermittelt. »Genauso kommt der Mond. Plopp! Direkt in ihren Tempel hinein.« Wieder lachte sie. »Direkt durch den Schacht herunter und plopp auf die Grube.«
»Wird Gwydre auch im Tempel sein?« fragte Arthur.
»Gwydre nicht. Männer dürfen da nicht rein. Hat man mir jedenfalls gesagt.« Gwenhwyvachs ironischer Ton schien etwas anderes andeuten zu wollen, dann aber zuckte sie nur die Achseln. »Gwydre wird zu Bett gebracht werden«, sagte sie statt dessen. Sie starrte zum Palast hinüber, und langsam breitete sich ein Lächeln auf ihrem Mondgesicht aus. »Wie wollt Ihr da hineinkommen, Arthur?« erkundigte sie sich. »Es gibt eine Menge Riegel an den Türen, und die Fenster sind alle mit Läden gesichert.«
»Wir werden’s schon schaffen«, versicherte er ihr, »solange Ihr niemandem sagt, daß Ihr uns gesehen habt.«
»Solange Ihr mich hier zurücklaßt«, erwiderte
Gwenhwyvach, »werde ich’s nicht mal den Bienen erzählen. Und denen sage ich immer alles. Das muß man tun, sonst wird der Honig sauer. Stimmt’s, Gwen?« fragte sie die Hündin und streichelte ihr die Schlappohren.
»Wenn das Euer Wille ist, werde ich Euch hier
zurücklassen«, versprach ihr Arthur.
»Nur ich«, sagte sie. »Nur ich und die Hunde und die Bienen. Mehr will ich gar nicht. Ich und die Hunde und die Bienen und der Palast. Guinevere kann von mir aus den Mond haben.«
Wieder lächelte sie. Dann stieß sie mich mit ihrer molligen Hand gegen die Schulter. »Erinnert Ihr Euch noch an die Kellertür, durch die ich Euch geführt habe, Derfel? Jene, die vom Garten ins Haus führt?«
»Ich glaube schon«, antwortete ich.
»Ich werde dafür sorgen, daß sie nicht verriegelt ist.«
Abermals kicherte sie, wohl weil sie ein Vergnügen erwartete.
»Ich werde mich im Keller verstecken, und wenn alle auf den Mond warten, werde ich die Tür entriegeln. In der Nacht stehen dort keine Wachen, weil die Tür viel zu dick ist. Dann sind die Wachen alle in ihren Hütten oder im vorderen Teil des Gartens.« Sie drehte sich um und sah Arthur an. »Werdet Ihr kommen?« fragte sie ihn besorgt.
»Ich verspreche es Euch«, versicherte
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