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Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Titel: Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Ruhe, und so verstummten die Hunde allmählich wieder und nur das Rauschen des Windes in den Bäumen, das Seufzen der Meereswellen und die überirdische, dünne Melodie des Gesangs waren zu vernehmen.
    Ich führte die Männer an, denn ich war der einzige, der schon einmal durch diese kleine Tür gegangen war, und dennoch fürchtete ich, sie nicht zu finden. Doch ich entdeckte sie mühelos. Vorsichtig stieg ich die alten Backsteinstufen hinab und versuchte die Tür behutsam aufzudrücken. Als sie nicht nachgab, dachte ich einen Herzschlag lang, sie sei doch verriegelt, dann aber schwang sie mit einem knirschenden Quietschen der Metallangeln nach innen und übergoß mich mit Licht.
    Der Keller war von Kerzen erleuchtet. Geblendet blinzelte ich in ihrem Schein, dann zischte Gwenhwyvachs Stimme mir zu: »Schnell! Schnell!«
    Einer nach dem anderen stahlen wir uns hinein: dreißig starke Männer mit Rüstung, Mänteln, Speeren und Helmen. Gwenhwyvach befahl uns flüsternd, leise zu sein. Sie drückte die Tür hinter uns ins Schloß und legte den schweren Riegel vor. »Der Tempel ist dort«, wisperte sie und zeigte einen Korridor mit Binsenfackeln entlang, die aufgestellt worden waren, um den Weg zur Tür des Schreins zu beleuchten. Sie war erregt, und ihr rundes Gesicht war gerötet. Der unheimliche Gesang des Chors klang hier viel leiser, denn er wurde durch die Vorhänge im Innern des Tempels und durch seine schwere Außentür gedämpft.
    »Wo ist Gwydre?« fragte Arthur Gwenhwyvach leise.
    »In seinem Zimmer«, antwortete Gwenhwyvach.
    »Gibt es Wachen?« wollte er wissen.
    »Bei Nacht sind nur ein paar Diener im Palast«, antwortete sie flüsternd.
    »Sind Dinas und Lavaine hier?« fragte ich sie.
    Sie lächelte. »Ihr werdet sie sehen, das verspreche ich Euch. Ihr werdet sie sehen.« Sie zupfte an Arthurs Mantel, um ihn zum Tempel hinüberzuziehen. »Kommt mit.«
    »Zuerst möchte ich Gwydre holen«, forderte Arthur und entzog ihr seinen Mantel. Er tippte sechs seiner Männer auf die Schulter. »Ihr anderen wartet hier«, wisperte er. »Ihr wartet hier. Ihr werdet den Tempel nicht betreten! Erst sollen sie ihren Gottesdienst in Ruhe beenden.« Dann führte er seine sechs Männer mit leisen Schritten durch den Keller und ein paar Steinstufen hinauf.
    Neben mir kicherte Gwenhwyvach. »Ich hab’ ein Gebet an Clud gesprochen«, vertraute sie mir leise an. »Sie wird uns helfen.«
    »Gut«, sagte ich. Clud ist eine Göttin des Lichts, und es wäre nicht schlecht, in dieser Nacht ihre Hilfe zu haben.
    »Guinevere mag Clud nicht«, sagte Gwenhwyvach
    mißbilligend. »Sie mag überhaupt keine der britannischen Götter. Steht der Mond schon hoch?«
    »Noch nicht. Aber er steigt.«
    »Dann ist es noch nicht Zeit«, murmelte Gwenhwyvach.
    »Zeit wofür, Lady?«
    »Ihr werdet sehen!« Sie kicherte. »Ihr werdet sehen«, wiederholte sie; dann zuckte sie angstvoll zurück, weil Nimue sich durch die Gruppe der beunruhigten Speerkämpfer drängte. Nimue hatte ihre lederne Augenklappe abgenommen, so daß
    die eingeschrumpfte, leere Höhle wie ein schwarzes Loch in ihrem Gesicht stand, bei dessen Anblick Gwenhwyvach angstvoll wimmerte.
    Nimue beachtete Gwenhwyvach nicht, sondern blickte sich im Keller um und schnupperte wie ein Jagdhund, der eine Fährte wittert. Ich konnte nur Spinnweben, Weinschläuche und Metkrüge erkennen und den feuchten Gestank der Fäulnis riechen, Nimue dagegen witterte etwas Hassenswertes. Sie zischelte und spie in Richtung des Schreins. Das Bündel in ihrer Hand bewegte sich träge.
    Keiner von uns rührte sich. Ja, ein regelrechter Terror überkam uns in diesem von Binsenfackeln erleuchteten Keller. Arthur war fort, man hatte uns nicht entdeckt, doch der Gesang und die Stille im Palast wirkten schauerlich auf uns. Vielleicht wurde unsere Panik durch einen Zauberfluch von Dinas und Lavaine ausgelöst, vielleicht lag es aber auch nur daran, daß
    hier unten alles so unnatürlich wirkte. Wir waren an Holz, Strohgeflecht, Erde und Gras gewöhnt, daher war dieser modrige Ort aus Backsteinbogen und Steinböden fremdartig und beängstigend für uns. Einer meiner Männer zitterte. Damit er wieder Mut faßte, streichelte Nimue dem Mann die Wange. Dann schlich sie auf ihren nackten Füßen zur Tempeltür. Ich begleitete sie, indem ich mit meinen Stiefeln sehr behutsam auftrat, um möglichst kein Geräusch zu machen. Ich wollte sie zurückhalten, denn sie beabsichtigte eindeutig, Arthurs Befehl zu mißachten, daß

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