Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
war. Die Sonne schien auf fahle Felder, in denen noch der Morgennebel hing. Arthur war in fröhlicher Stimmung; er genoß die Schönheit des Tages, die eigene Jugend und die Aussicht auf eine Jagd. »Ein Festmahl noch«, sagte er zu mir, »dann könnt Ihr nach Hause ziehen und Euch ausruhen.«
»Noch ein Festmahl?« fragte ich töricht, weil mein Verstand noch immer von der Müdigkeit und den Folgen jener Flüssigkeit benebelt war, die mir Merlin und Nimue auf dem Gipfel des Dolforwyn zu trinken gegeben hatten. Arthur tätschelte mir die Schulter. »Lancelots Verlöbnis, Derfel. Und dann nichts wie heimwärts nach Dumnonia. Und an die Arbeit!« Er schien sich bei dem Gedanken zu freuen und schilderte mir begeistert seine Pläne für den kommenden Winter. Es gab vier eingestürzte römische Brücken, die er wieder aufbauen lassen wollte, und danach sollten die Steinmetze des Königreichs nach Lindinis geschickt werden, um den königlichen Palast fertigzustellen. Lindinis war die römische Stadt in der Nähe von Dumnonias Königshügel Caer Cadarn, die Arthur zur neuen Hauptstadt machen wollte. »In Durnovaria gibt es zu viele Christen«, erklärte er, obwohl er hastig und charakteristisch für ihn hinzufügte, daß er persönlich nichts gegen die Christen habe.
»Es ist nur so, Lord«, gab ich ironisch zurück, »daß sie etwas gegen Euch haben.«
»Manche«, räumte er ein. Vor der Schlacht, als Arthurs Sache unwiderruflich verloren schien, war eine Partei, die gegen Arthur opponierte, in Dumnonia frech geworden, und diese Partei wurde von Christen angeführt, denselben Christen, deren Obhut Mordred anvertraut war. Der unmittelbare Grund für ihren Zorn war ein Darlehen gewesen, das Arthur sich von der Kirche für den Feldzug erzwungen hatte, der in Lugg Vale endete, und dieses Darlehen hatte eine erbitterte Feindschaft ausgelöst. Seltsam, dachte ich, daß die Kirche den hohen Wert der Armut predigt, einem Mann aber, der sich bei ihr Geld leiht, niemals vergibt.
»Ich wollte mit Euch über Mordred reden«, sagte Arthur, um mir zu erklären, warum er an diesem schönen Morgen meine Gesellschaft suchte. »In zehn Jahren«, fuhr Arthur fort, »wird er alt genug sein, um den Thron zu besteigen. Das ist nicht lange, Derfel, ganz und gar nicht lange, und es ist unbedingt nötig, daß er in diesen zehn Jahren eine gute Erziehung genießt. Er muß lesen und schreiben lernen, er muß lernen, mit dem Schwert umzugehen, und er muß lernen, Verantwortung zu übernehmen!« Ich nickte zustimmend, wenn auch ohne Begeisterung. Der fünfjährige Mordred würde zweifellos all die Dinge lernen, die Arthur für ihn vorsah, aber ich sah nicht recht ein, was ich damit zu tun hatte. Arthur dachte da anders.
»Ich möchte, daß Ihr sein Vormund werdet«, sagte er zu meiner Überraschung.
»Ich?« rief ich erstaunt.
»Nabur kümmert sich mehr um sein eigenes Fortkommen als um Mordreds Charakter«, erklärte Arthur. Nabur war der christliche Beamte, der gegenwärtig Vormund des Kindkönigs war, und außerdem war es Nabur gewesen, der am eifrigsten intrigiert hatte, um Arthurs Macht zu vernichten – Nabur und natürlich Bischof Sansum. »Und Nabur ist kein Krieger«, fuhr Arthur fort. »Ich bete, daß Mordred in Frieden regieren kann, Derfel, aber er muß das Kriegshandwerk lernen – das müssen alle Könige, und ich kann mir keinen besseren Ausbilder für ihn vorstellen als Euch.«
»Mich nicht«, protestierte ich heftig. »Ich bin zu jung!«
Arthur lachte über diesen Einwand. »Die Jungen sollten von den Jungen erzogen werden, Derfel«, behauptete er. Ein fernes Hornsignal meldete, daß das Wildtreiben am Talende begonnen hatte. Wir Jäger drangen in den Wald ein und stiegen über Dorngestrüpp und abgestorbene
Baumstämme, die dicht mit Pilzen bewachsen waren. Wir bewegten uns jetzt nur noch langsam und lauschten ständig auf das furchteinflößende Geräusch eines Keilers, der durchs Unterholz bricht. »Außerdem«, fuhr ich fort, »ist mein Platz in Eurem Schildwall, nicht in Mordreds Kinderstube.«
»Ihr werdet immer noch zu meinem Schildwall gehören. Glaubt Ihr, ich will Euch verlieren, Derfel?« meinte Arthur grinsend. »Ich will nicht, daß Ihr an Mordred gebunden seid, ich will nur, daß er in Eurem Haushalt lebt. Es ist wichtig, daß
er von einem ehrlichen Mann erzogen wird.«
Ich quittierte das Kompliment mit einem Achselzucken und dachte dann mit schlechtem Gewissen an den sauberen, heilen Knochen in meinem
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