Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
nahm den Knochen. Was hätte ich sonst tun sollen? Ich war verliebt, also nahm ich den gereinigten Knochen und steckte ihn in meinen Beutel.
»Er wird dir nichts helfen, solange du ihn nicht zerbrichst«, sagte Merlin zu mir.
»Möglich, daß er mir ohnehin nichts hilft«, gab ich zurück, als ich endlich feststellte, daß ich wieder stehen konnte.
»Du bist ein Narr, Derfel«, behauptete Merlin. »Aber du bist ein Narr, der gut mit dem Schwert umgehen kann, und deswegen brauche ich dich, wenn wir die Dunkle Straße bewältigen wollen.« Er stand auf. »Die Wahl liegt jetzt bei dir. Du kannst den Knochen zerbrechen, dann wird Ceinwyn sich für dich entscheiden, das kann ich dir versichern. Aber damit hast du dich der Suche nach dem Kessel verschworen. Oder du kannst Gwenhwyvach ehelichen und dein Leben damit verbringen, auf sächsische Schilde einzuhauen, während die Christen sich verschwören, Dumnonia zu übernehmen. Ich überlasse dir die Wahl, Derfel. Und nun schließ die Augen.«
Ich schloß die Augen und hielt sie eine geraume Zeit gehorsam geschlossen. Als jedoch keine weiteren Anweisungen erfolgten, machte ich sie schließlich wieder auf. Die Hügelkuppe war leer. Ich hatte nichts gehört, aber Merlin, Nimue, die acht Knochen und der Silberbecher waren allesamt verschwunden. Im Osten dämmerte der Morgen, die Vögel lärmten in den Bäumen, und ich trug einen weißen, blankgeputzten Knochen im Beutel.
Ich machte mich auf den Weg, den Hügel hinab bis zu der Straße am Fluß. Vor meinen Augen aber sah ich nur jene andere Straße, die Dunkle Straße, die zu Diwrnachs Schlupfwinkel führte, und mir wurde angst.
A n jenem Morgen gingen wir auf Sauhatz, und kaum hatten wir Caer Sws verlassen, da suchte Arthur meine Gesellschaft.
»Ihr habt Euch gestern abend früh zurückgezogen, Derfel«, begrüßte er mich.
»Mein Magen, Lord«, gab ich zurück. Ich wollte ihm nicht die Wahrheit sagen – daß ich mich mit Merlin getroffen hatte –
, denn dann hätte er geargwöhnt, daß ich die Suche nach dem Kessel noch immer nicht aufgegeben hatte. Also war es besser, ihn zu belügen. »Mein Magen hat aufbegehrt«, erklärte ich. Er lachte. »Ich weiß nicht, warum wir so etwas Festmahl nennen«, sagte er, »wo es doch nur ein Vorwand zum Trinken ist.« Er blieb stehen, um auf Guinevere zu warten, die gern auf die Jagd ging und an diesem Morgen Stiefel und eine Lederhose trug, die eng an ihre langen Beine geschnürt war. Ihre Schwangerschaft versteckte sie unter einem Lederwams, über dem sie einen grünen Umhang trug. Sie hatte ein Paar ihrer geliebten Jagdhunde mitgebracht und reichte mir die Leinen, damit Arthur sie durch die Furt neben der alten Festung tragen konnte. Lancelot bot Ceinwyn den gleichen Dienst an, die offensichtlich entzückt aufschrie, als Lancelot sie hochhob. Auch Ceinwyn trug an diesem Tag
Männerkleidung, aber die ihre war nicht so eng und elegant geschnitten wie Guineveres. Vermutlich hatte sich Ceinwyn alles an Jagdkleidung ausgeborgt, was sie bei ihrem Bruder finden konnte, und sah in diesen weiten, überlangen Kleidungsstücken neben Guineveres vornehmer Eleganz knabenhaft und sehr jung aus. Keine der beiden Frauen trug einen Speer, aber Bors, Lancelots Cousin und Champion, hatte eine zusätzliche Waffe mitgenommen, falls Ceinwyn sich am Erlegen eines Tieres beteiligen wollte. Arthur hatte darauf bestanden, daß die schwangere Guinevere keinen Speer trug.
»Du mußt heute sehr vorsichtig sein«, sagte er, als er sie am Südufer des Severn auf die Füße zurückstellte.
»Du machst dir zu viele Sorgen«, gab sie zurück. Dann nahm sie mir die Leinen der Hunde ab und fuhr sich mit der Hand durch das dichte, widerspenstige rote Haar. »Ihr müßt nur schwanger werden«, wandte sie sich an Ceinwyn, »dann glauben die Männer, Ihr seid aus Glas.« Sie gesellte sich zu Lancelot, Ceinwyn und Cuneglas und überließ es Arthur, an meiner Seite zu dem grünen Tal hinüberzuwandern, wo Cuneglas’ Jagdgehilfen reichlich Schwarzwild gemeldet hatten. Insgesamt waren wir etwa fünfzig Jäger, zumeist Krieger, aber auch eine Handvoll Frauen waren mitgekommen, und vierzig Diener bildeten die Nachhut. Einer der Diener stieß ins Horn, um die Jagdgehilfen am anderen Talende aufzufordern, das Wild zum Fluß hinunterzutreiben, während wir Jäger unsere langen, schweren Saufedern schulterten und ausschwärmten, um eine Reihe zu bilden. Es war ein kalter Spätsommertag, so kalt, daß unser Atem zu sehen
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