Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
schwächer wurde. Nimue hatte Ceinwyns Messer genommen und kratzte und scharrte zwischen den kleinen Steinen in der Vertiefung herum, während Ceinwyn, die völlig erschöpft zu sein schien, an einem Felsblock zusammengesunken war und zitternd zusah, wie Nimue grub. Was es auch war, von dem Ceinwyn besessen war, es war verschwunden. Ich war ihr behilflich, ihre Hände vom Schmutz zu säubern, holte ihren Wolfspelz und deckte sie damit zu.
Sie zog ihre Handschuhe an. »Ich habe etwas geträumt«, flüsterte sie mir zu. »Ich habe das Ende gesehen.«
»Unser Ende?« fragte ich sie beunruhigt.
Sie schüttelte den Kopf. »Ynys Mons Ende. Ich habe Reihen von Soldaten gesehen, Derfel, Soldaten in römischen Röcken und Brustpanzern und Bronzehelmen. Lange, jagende Reihen von Soldaten, deren Schwertarm bis zu den Schultern blutverschmiert war, weil sie nur noch getötet und getötet hatten. In einer langen Reihe gingen sie durch die Wälder und taten nichts als töten. Auf und nieder gingen die Arme, und alle Frauen und Kinder liefen davon, aber es gab keinen Zufluchtsort, und so holten die Soldaten sie schnell ein und schlugen sie nieder. Kleine Kinder, Derfel!«
»Und die Druiden?«
»Alle tot. Alle, bis auf drei, und die brachten den Kessel hierher. Die Grube dafür hatten sie schon ausgehoben, bevor die Römer übers Wasser kamen, weißt du, und nun vergruben sie ihn hier. Dann bedeckten sie ihn mit Steinen vom See, und danach streuten sie Asche auf die Steine und legten mit bloßen Händen Feuer, damit die Römer dachten, hier könne nichts vergraben sein. Als das getan war, schritten sie singend in die Wälder, um dort zu sterben.«
Nimue zischte erschrocken, und als ich mich umdrehte, sah ich, daß sie ein kleines Skelett freigelegt hatte. Sie wühlte in ihren Otterfellen und holte einen Lederbeutel heraus, den sie aufriß, um zwei getrocknete Pflanzen herauszuholen. Sie hatten stachelige Blätter und kleine, verblaßte, goldgelbe Blüten. Wie ich wußte, versuchte sie die toten Knochen mit einer Gabe Asphodill zu beschwichtigen. »Hier wurde ein Kind begraben«, erklärte Ceinwyn die geringe Größe der Knochen,
»Hüterin des Kessels und Tochter des einen der drei Druiden. Sie hatte kurze Haare und trug ein Armband aus Fuchsfell am Handgelenk, und sie begruben sie lebendig, damit sie den Kessel hütete, bis wir ihn fanden.«
Nachdem sie die tote Seele der Hüterin des Kessels mit dem Asphodill beschwichtigt hatte, holte Nimue die
Mädchenknochen zwischen den kleinen Steinen hervor und machte sich daran, mit ihrem Messer das Loch zu vertiefen. Sie rief mir zu, ich solle ihr dabei helfen. »Grab mit dem Schwert, Derfel!« befahl sie mir, und ich stieß gehorsam Hywelbanes Spitze in die Grube.
Und fand den Kessel.
Anfangs war es nur ein Aufblitzen von schmutzigem Gold, dann fegte Nimue mit der Hand die Erde von einem schweren Goldrand. Weil der Kessel viel größer war als das Loch, das wir gegraben hatten, halfen Issa und ein weiterer Mann uns auf meinen Befehl, es zu vergrößern. Wir schöpften die Steine mit den Helmen heraus, wir arbeiteten in verzweifelter Hast, denn Merlins Seele war nur noch ein allerletztes Aufflackern seines langen Lebens. Nimue keuchte und weinte, als sie sich auf die fest hineingepackten Steine stürzte, die vom heiligen See Llyn Cerrig Bach hier heraufgebracht worden waren.
»Er ist nicht tot!« rief Ceinwyn, die neben Merlin kniete.
»Er ist nicht tot!« stieß Nimue zwischen
zusammengebissenen Zähnen hervor. Sie packte den goldenen Rand mit beiden Händen und begann mit aller Kraft am Kessel zu zerren. Ich tat es ihr nach, aber es schien einfach unmöglich, das riesige Gefäß mit dem Gewicht der vielen Steine, die noch in seinem tiefen Bauch lasteten, von der Stelle zu bewegen; letztlich gelang es uns mit Hilfe der Götter dann doch, das riesige Ding aus Gold und Silber aus seiner tiefen Grube herauszustemmen.
So brachten wir den verlorenen Kessel von Clyddno Eiddyn wieder ans Licht.
Er glich einer immensen Schale, so breit wie die ausgestreckten Arme eines Mannes und so tief wie die Klinge eines Jagdmessers. Er war aus dickem, unebenem Silber gefertigt, stand auf drei kurzen goldenen Beinen und war mit reichen Goldornamenten geschmückt. An seinem Rand waren drei goldene Henkel befestigt, damit man ihn über ein Feuer hängen konnte. Es war der kostbarste Schatz von ganz Britannien, und wir hatten ihn seinem Grab entrissen. Wie ich entdeckte, waren die goldenen
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