Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
Ornamente in Form von Kriegern, Göttern und Hirschen gearbeitet; aber wir hatten keine Zeit, den Kessel zu bewundern, denn Nimue schaufelte hektisch die letzten Steine aus seinem Bauch und stellte ihn in die Grube zurück, bevor sie die schwarzen Pelze von Merlins Körper nahm. »Helft mir!« rief sie. Gemeinsam rollten wir den Alten in die Grube und in die riesige Silberschale hinein. Nimue schob seine Beine unter den goldenen Rand und bedeckte ihn mit einem Mantel. Erst dann lehnte sich Nimue an die Felsen zurück. Es war eisig kalt, und dennoch glänzte ihr Gesicht schweißnaß.
»Er ist tot«, sagte Ceinwyn mit leiser, verängstigter Stimme.
»Nein«, widersprach Nimue müde. »Ist er nicht.«
»Er war kalt«, protestierte Ceinwyn. »Er war kalt, und er atmete nicht mehr.« Leise weinend klammerte sie sich an mich.
»Er ist tot.«
»Er lebt«, sagte Nimue rauh.
Es hatte wieder zu regnen begonnen: Ein feiner, stechender, windiger Sprühregen näßte die Steine und bildete Perlen auf unseren blutigen Speerspitzen. Merlin lag zugedeckt und reglos in der Grube mit dem Kessel, meine Männer beobachteten den Feind über die grauen Steine hinweg, die dunklen Reiter umringten uns, und ich fragte mich, welcher Wahnsinn uns an diesen elenden Ort am dunklen, kalten Ende von Britannien getrieben hatte.
»Und was tun wir jetzt?« fragte Galahad.
»Wir warten«, fuhr Nimue ihn an. »Wir warten einfach!«
Niemals werde ich die Kälte dieser Nacht vergessen. Der Frost überzog die Felsen mit Rauhreif, und wenn man eine Speerspitze berührte, fürchtete man fast, man würde daran klebenbleiben. So bitterkalt war es. Als es dunkel wurde, verwandelte sich der Regen in Schnee, dann hörte es auf zu schneien, und nachdem es aufgehört hatte, ließ der Wind nach, und die Wolken, die nach Osten davonsegelten, gaben einen riesengroßen Vollmond frei, der über dem Meer aufstieg. Es war ein Mond voller Vorbedeutung: ein großer, dicker Silberball, umhüllt vom schimmernden Dunst ferner Wolken, über einem schwarzsilbern wogenden Ozean. Die Sterne schienen noch niemals so hell gefunkelt zu haben. Bels großer Wagen strahlte über uns und jagte auf ewig dem Sternbild nach, das wir die Forelle nannten. Ich schickte ein Gebet durch die eisige Luft zu den Göttern empor, die bei den Sternen wohnten, und hoffte, daß es jene fernen, hellen Feuer erreichte. Einige von uns schliefen ein, aber es war der leichte Schlummer müder, frierender, verängstigter Männer. Unsere Feinde, die mit ihren Speeren den Hügel umringten, hatten überall Feuer gemacht. Die Pferde brachten den Blutschilden Brennholz, die Flammen stiegen hoch in die Luft und spien Funken in den klaren Himmel.
Nichts regte sich in der Senke mit dem Kessel, wo Merlins pelzbedeckter Körper im Mondschatten des hohen Felsens lag, auf dem wir uns bei der Wacht ablösten. Wir konnten die Umrisse der Reiter im Feuerschein erkennen, und gelegentlich kam ein Langspeer aus der Nacht geflogen, dessen Spitze im Mondlicht funkelte, bevor die Waffe harmlos klappernd auf die Steine fiel.
»Was sollen wir mit dem Kessel machen?« fragte ich Nimue.
»Bis Samhain gar nichts«, antwortete sie tonlos. Sie lag zusammengerollt neben den abgelegten Bündeln, die wir in die Senke geworfen hatten. Ihre Füße ruhten auf den Steinen, die wir in so verzweifelter Hast aus dem Loch geklaubt hatten.
»Alles muß seine Richtigkeit haben, Derfel. Es muß Vollmond sein, das Wetter muß stimmen und alle dreizehn Kleinodien müssen Zusammensein.«
»Erzählt mir von den Kleinodien«, bat Galahad von der anderen Seite der Senke her.
Nimue spie aus. »Damit Ihr uns verspotten könnt, Christ?«
gab sie herausfordernd zurück.
Galahad lächelte. »Es gibt Tausende, Nimue, die Euch verspotten. Die Götter seien tot, sagen sie, wir sollten lieber an die Menschen glauben. Wir sollten Arthur folgen, sagen sie, und sind der Meinung, daß Eure Suche nach Kesseln und Mänteln und Messern und Hörnern lauter Unsinn ist, der mit Ynys Mon gestorben ist. Wie viele Könige von Britannien haben Euch Männer für diese Suche mitgegeben?« Er regte sich, suchte es sich in dieser kalten Nacht etwas bequemer zu machen. »Keiner, Nimue, kein einziger, weil sie sich über Euch lustig machen. Zu spät, sagen sie. Die Römer haben alles verändert, und die vernünftigen Menschen sagen, daß Euer Kessel ebenso tot ist wie Ynys Trebes. Ihr verrichtet das Werk des Teufels, behaupten die Christen, ich aber, Nimue, bin Christ
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