Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
hatte, nicht aber dessen Weisheit. Es war vor allem Meurig gewesen, der Gwent überredet hatte, Arthur vor Lugg Vale im Stich zu lassen, und das allein schon war Grund genug für mich, Meurig nicht zu mögen, doch ich sank pflichtschuldigst auf ein Knie, als der Prinz absaß.
»Derfel«, sagte er mit seiner seltsam hohen Stimme, »ich erinnere mich an Euch.« Er bat mich nicht aufzustehen, sondern drängte sich an mir vorbei ins Zelt.
Agricola winkte mir, hereinzukommen, so daß mir die Gesellschaft der vier keuchenden Priester erspart blieb, die hier nichts zu suchen hatten, aber wohl in der Nähe ihres Prinzen bleiben mußten. Dieser war in eine Toga gekleidet, hatte ein schweres Holzkreuz an einer silbernen Kette um den Hals und schien irritiert von meiner Gegenwart. Er musterte mich finster und wandte sich dann klagend mit einer Beschwerde an Agricola, doch da sich die beiden auf lateinisch unterhielten, hatte ich keine Ahnung, wovon sie sprachen. Meurig stützte seine Argumente mit einem Pergament, das er vor Agricolas Nase schwenkte, der diese Belästigung geduldig ertrug. Schließlich stellte Meurig seine Tirade ein, rollte das Pergament zusammen und schob es in seine Toga zurück. Dann wandte er sich an mich. »Ihr werdet doch wohl nicht von uns verlangen«, sagte er, wieder auf britannisch, »daß wir Eure Männer durchfüttern – oder?«
»Wir haben unseren eigenen Proviant mitgebracht, Lord Prinz«, erklärte ich und erkundigte mich nach dem Gesundheitszustand seines Vaters.
»Der König leidet an einer Fistel in der Leiste«, erklärte mir Meurig mit seiner quäkenden Stimme. »Wir haben sie mit Breiumschlägen behandelt, und die Medici lassen meinen Vater regelmäßig zur Ader; aber leider hat es Gott nicht gefallen, seinen Zustand zu bessern.«
»Laßt Merlin kommen, Lord Prinz«, schlug ich vor. Meurig sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. Er war stark kurzsichtig, und seine schwachen Augen waren es wohl auch, die seinem Gesicht den übellaunigen Ausdruck verliehen. Er stieß ein kurzes, spöttisches Lachen aus. »Ihr, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf«, sagte er boshaft,
»seid natürlich als einer der Narren berühmt, die einen Kampf mit Diwrnach riskiert haben, nur um eine Schüssel nach Dumnonia zurückzuholen. Vermutlich eine Salatschüssel, ja?«
»Einen Kessel, Lord Prinz.«
Meurigs schmale Lippen verzogen sich zu einem flüchtigen Grinsen. »Ihr habt wohl nicht bedacht, Lord Derfel, daß unsere Schmiede Euch ein Dutzend Kessel in ebenso vielen Tagen anfertigen hätten können, wie?«
»Wenn ich das nächstemal Kochtöpfe brauche, weiß ich, wohin ich mich wenden muß, Lord Prinz«, entgegnete ich. Meurig erstarrte bei dieser Beleidigung; Agricola dagegen lächelte.
»Habt Ihr irgend etwas verstanden?« fragte mich Agricola, als Meurig gegangen war.
»Ich kann kein Latein, Lord.«
»Er hat sich beschwert, daß ein Häuptling seine Steuern nicht bezahlt hat. Der arme Mann schuldet uns dreißig Räucherlachse und zwanzig Wagenladungen Holz. Aber was Meurig nicht begreifen will, ist die Tatsache, daß das Volk des armen Cyllig im letzten Winter von einer Seuche heimgesucht wurde, daß der Wye leergewildert wurde und daß Cyllig mir trotzdem zwei Dutzend Speerkämpfer bringt.« Angewidert spie Agricola aus. »Zehnmal am Tag!« sagte er. »Zehnmal am Tag kommt dieser Prinz mit einem Problem zu mir heraus, das jeder schwachsinnige Amtsschreiber in zwanzig Herzschlägen lösen könnte. Ich wünschte, sein Vater würde einfach seine Leiste einbinden und sich wieder auf den Thron setzen.«
»Wie krank ist Tewdric wirklich?«
Agricola zuckte die Achseln. »Er ist müde, nicht krank. Er möchte seinen Thron aufgeben. Er will sich eine Tonsur schneiden lassen und Priester werden, behauptet er.« Wieder spie er auf den Zeltboden. »Aber ich werde schon mit unserem Edling fertig. Ich werde dafür sorgen, daß seine Damen mit in den Krieg ziehen.«
»Seine Damen?« fragte ich, neugierig geworden durch den ironischen Tonfall, mit dem Agricola diese Worte ausgesprochen hatte.
»Er ist zwar blind wie ein Maulwurf, Derfel, aber ein junges Mädchen kann er immer noch so sicher ausmachen wie ein Falke eine Spitzmaus. Er liebt die Damen, dieser Meurig, und zwar jede Menge von ihnen. Warum auch nicht? So sind die Fürsten nun mal, nicht wahr?« Er legte den Schwertgurt ab und hängte ihn an einen Nagel in einem der Zeltpfosten. »Ihr werdet morgen abmarschieren?«
»Ja, Lord.«
»Dann
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