Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
kurzen Stößen, als sei die Wahrheit nur schwer zu formulieren. »Aber vielleicht war es gar keine Vergewaltigung. Ich wollte Gold, Ehren, eine hohe Position.« Sie spielte mit dem Saum ihres Hemdes, zupfte winzige Streifen aus dem ausgefransten Leinenstoff. Ich war verlegen, aber ich unterbrach sie nicht, weil ich wußte, daß sie unbedingt reden wollte. »Aber vom ihm bekam ich das alles nicht. Er wußte genau, was ich wollte, aber er wußte noch besser, was er selber wollte, und beabsichtigte keine Sekunde lang, meinen Preis zu bezahlen. Statt dessen verlobte er mich mit Valerin. Wißt Ihr, was ich mit Valerin vorhatte?« Wieder forderte ihr Blick mich heraus, und dieses Mal glänzten ihre Augen nicht vom Feuerschein, sondern von Tränen.
»Nein, Lady.«
»Ich wollte ihn zum König von Powys machen«, sagte sie rachsüchtig. »Ich wollte Valerin benutzen, um mich an Gorfyddyd zu rächen. Und das hätte ich auch geschafft. Aber dann begegnete ich Arthur.«
»Valerin«, gestand ich vorsichtig, »habe ich im Lugg Vale erschlagen.«
»Das weiß ich.«
»Er trug einen Ring am Finger, Lady«, fuhr ich fort. »Mit Eurem Zeichen darauf.«
Sie starrte mich an. Sie wußte, welchen Ring ich meinte. »Trug er ein Liebeskreuz?« fragte sie mich leise.
»Ja, Lady«, sagte ich und berührte meinen eigenen Liebesring, den Zwilling von Ceinwyns Liebesring. Viele Leute tragen Liebesringe mit einem Kreuz, aber nicht viele trugen, wie Ceinwyn und ich, Ringe mit Kreuzen aus dem Gold des Kessels von Clyddno Eiddyn.
»Was habt Ihr mit dem Ring gemacht?« wollte Guinevere wissen.
»Ich habe ihn in den Fluß geworfen.«
»Habt Ihr irgend jemandem davon erzählt?«
»Nur Ceinwyn«, antwortete ich. »Und Issa weiß davon«, ergänzte ich,
»denn er war es, der den Ring gefunden und mir gebracht hat.«
»Habt Ihr Arthur davon erzählt?«
»Nein.«
Sie lächelte. »Ich glaube, ich hatte einen besseren Freund an Euch, als ich jemals geahnt habe, Derfel.«
»Es war für Arthur, Lady. Ich wollte Arthur beschützen – nicht Euch.«
»Das kann ich mir vorstellen, ja.« Sie blickte wieder ins Feuer.
»Wenn das hier alles vorüber ist«, sagte sie, »werde ich versuchen, Arthur zu geben, was er will.«
»Euch selbst?«
Mein Vorschlag schien sie zu überraschen. »Wünscht er sich das?«
fragte sie mich.
»Er liebt Euch«, antwortete ich. »Er mag zwar nicht nach Euch fragen, aber jedesmal, wenn er herkommt, sucht er Euch. Er hat Euch sogar gesucht, als Ihr in Ynys Wydran wart. Mit mir hat er niemals über Euch gesprochen, aber Ceinwyn hat er die Ohren vollgeklagt.«
Guinevere verzog das Gesicht. »Wißt Ihr, wie erstickend Liebe sein kann, Derfel? Ich will nicht verehrt werden. Ich will nicht, daß man mir jede Laune erfüllt. Ich will spüren, daß es jemanden gibt, der zurückbeißt.« Sie sprach leidenschaftlich, doch als ich den Mund aufmachen wollte, um Arthur zu verteidigen, brachte sie mich mit einem Wink zum Schweigen. »Ich weiß, Derfel«, sagte sie, »daß ich heutzutage kein Recht habe, irgend etwas zu verlangen. Ich werde brav sein, das verspreche ich Euch.« Sie lächelte. »Wißt Ihr, warum Arthur mich jetzt ignoriert?«
»Nein, Lady.«
»Weil er mir nicht gegenübertreten will, bis er den Sieg errungen hat.«
Ich sagte mir, daß sie vermutlich recht habe, denn Arthur hatte sich nichts von seiner Zuneigung anmerken lassen; deswegen hielt ich es für das Beste, ihr eine Warnung zuteil werden zu lassen. »Vielleicht ist ein Sieg nicht genug, um ihm Genugtuung zu verschaffen«, sagte ich. Guinevere schüttelte den Kopf. »Ich kenne ihn besser als Ihr, Derfel. Ich kenne ihn so gut, daß ich ihn mit einem einzigen Wort beschreiben kann.«
Ich versuchte mir dieses Wort vorzustellen. Tapfer? Gewiß, aber das ließ all seine Zuwendung und Hingabe aus. Ich fragte mich, ob Hingabe vielleicht ein besserer Ausdruck wäre, doch der beschrieb nicht seine Rastlosigkeit. Gut? Gewiß, er war gut, doch dieses schlichte Wort vertuschte den Zorn, der ihn zuweilen unberechenbar machte. »Wie lautet dieses Wort, Lady?« fragte ich sie.
»Einsam«, antwortete Guinevere, und mir fiel ein, daß Sagramor in der Mithras-Höhle genau dasselbe Wort benutzt hatte. »Er ist einsam«, sagte Guinevere. »Wie ich. Also geben wir ihm den Sieg, denn dann wird er vielleicht niemals mehr einsam sein.«
»Die Götter mögen Euch beschützen, Lady«, sagte ich.
»Eher die Göttinnen, denke ich mir«, gab sie zurück und sah sofort den
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