Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
Dunkelheit erfüllten wie Elfenklänge, die vom Land der Toten herüberwehten.
Dann, im Dunkeln, endeten die Lieder; ich hörte nichts mehr als die süßen Akkorde, die auf der Harfe angeschlagen wurden, und mir schien, daß diese Akkorde sich immer mehr unserer Hütte mitsamt den Wachen näherten, die draußen auf dem feuchten Gras saßen und der Musik lauschten.
Immer näher kam der Klang der Harfe, und schließlich vermochte ich Taliesin im Nebel auszumachen. »Ich habe Euch Met mitgebracht«, sagte er zu meinen Wachen, »teilt ihn unter Euch.« Damit holte er einen mit einem Stopfen verschlossenen Krug aus seinem Sack und reichte ihn den Wachen, und während diese den Krug kreisen ließen, sang er für sie. Er sang die sanftesten Lieder, ein Wiegenlied, das eine ganze sorgenvolle Welt in den Schlaf gewiegt hätte, und dann schliefen sie tatsächlich ein. Einer nach dem anderen kippten die Wachen seitwärts um, und immer noch Taliesin mit seiner Stimme, welche die ganze Festung verzauberte, und erst als einer der Wachtposten zu schnarchen begann, hörte er auf zu singen und ließ die Hand an der Harfe sinken.
»Ich glaube, Lord Derfel, Ihr könnt jetzt herauskommen«, sagte er sehr leise.
»Ich auch!« sagte Sansum und drängte sich an mir vorbei, um als erster durch die Tür zu kriechen.
Als ich auftauchte, lächelte Taliesin. »Merlin hat mir befohlen, Euch zu retten, Lord«, erklärte er, »obwohl er sagt, daß Ihr mir dafür möglicherweise nicht danken werdet.«
»Aber natürlich werde ich das«, widersprach ich.
»Los, los!« keifte Sansum. »Keine Zeit für lange Reden! Los, kommt!
Schnell!«
»Wartet, Euer Elendigkeit«, wies ich ihn zurecht. Dann bückte ich mich und nahm einem der schlafenden Wachtposten den Speer ab.
»Welchen Zauber habt Ihr angewendet?« erkundigte ich mich bei Taliesin.
»Um Betrunkene einschlafen zu lassen, braucht man kaum einen richtigen Zauber«, antwortete er. »Bei diesen Wachen hier habe ich allerdings einen Aufguß von Alraunenwurzeln benutzt.«
»Wartet hier auf mich«, sagte ich.
»Wir müssen gehen, Derfel!« zischte Sansum aufs höchste besorgt.
»Ihr müßt warten, Bischof«, gab ich zurück. Ich schlüpfte davon, in den Nebel hinein, und hielt auf den verschwommenen Schein der größten Feuer zu. Diese Feuer brannten in der unfertigen Kirche, die aus nichts weiter bestand als aus ein paar halben Wänden mit dicken Lücken zwischen den Holzbohlen. Der Innenraum war voll schlafender Menschen, obwohl einige von ihnen sich jetzt zu regen begannen und stumpf vor sich hinstarrten wie jemand, der aus einem Zauber erwachte. Hunde wühlten zwischen den Schläfern nach Nahrung und weckten mit ihrem erregten Schnobern noch mehr Menschen. Einige der Erwachten beobachteten mich, aber keiner erkannte mich. Für sie war ich einfach nur ein Speerkämpfer, der in der Nacht umherwanderte. Amhar entdeckte ich an einem der Feuer. Er schlief mit offenem Mund, und genauso starb er. Ich stieß ihm den Speer in den offenen Mund, wartete dann, bis er die Augen öffnete und seine Seele mich erkannte, und als ich merkte, daß er mich erkannte, stieß ich ihm die Klinge durch Hals und Wirbelsäule, so daß er auf dem Boden festgenagelt war. Er zappelte, als ich ihn tötete, und das letzte, was seine Seele auf Erden sah, war mein Lächeln. Dann bückte ich mich, löste die Bartleine von seinem Gurt, zog Hywelbane heraus und verließ die Kirche. Gern hätte ich noch Mordred und Loholt gesucht, inzwischen aber erwachten immer mehr Schläfer, und als einer mich anrief und fragte, wer ich sei, kehrte ich in die nebligen Schatten zurück und hastete bergauf bis dahin, wo Taliesin und Sansum mich erwarteten.
»Wir müssen gehen!« quäkte Sansum.
»Ich habe Zaumzeug bei den Wällen, Lord«, informierte mich Taliesin.
»Ihr denkt an alles«, sagte ich bewundernd. Ich hielt inne, um die Reste meines Bartes in das kleine Feuer zu werfen, das unsere Wachen gewärmt hatte, und als ich sah, daß auch die letzten Strähnen aufflammten und zu Asche verbrannten, folgte ich Taliesin zu den nördlichen Wällen. Er holte das Zaumzeug aus dem dunklen Schatten, dann stiegen wir auf die Kampfplattform, wo wir, durch den Nebel vor den Wachen verborgen, über den Wall kletterten und auf den Hang hinabsprangen. Auf halber Höhe des Abhangs endete der Nebel. Wir liefen zu der Weide hinüber, auf der die meisten von Mordreds Pferden in der Nacht schliefen. Taliesin weckte zwei Rösser, streichelte ihnen
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