Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
mich, wenn ich an ihm vorüberkam, einige versetzten mir Fußtritte, andere schlugen mit den Enden ihrer Speerstangen zu, doch Amhar sorgte stets dafür, daß man mich nicht verkrüppelte. Er wollte, daß ich heil und ganz war, wenn sein Bruder sich mit mir vergnügte.
Loholt wartete neben dem Kopfhaufen. Der Stumpf seines rechten Armes steckte in einem Futteral aus Silber, an dessen Ende dort, wo früher einmal die Hand gewesen war, zwei Bärenklauen befestigt worden waren. Als ich bis kurz vor seine Füße kroch, grinste er, war aber vor Freude zu erregt, um etwas sagen zu können. Statt dessen plapperte er Unzusammenhängendes vor sich hin und spie mich an, während er mich immer wieder in Bauch und Rippen trat. Es lag viel Kraft in seinen Tritten, aber er war so wütend, daß er mich blindlings angriff und mir daher kaum mehr Schaden zufügte als ein paar blaue Flecken. Mordred beobachtete das Ganze von seinem Thron aus, der auf der Spitze des fliegenumsummten Haufens aus abgeschlagenen Köpfen stand. »Genug!« rief er nach einer Weile. Loholt versetzte mir noch einen letzten Tritt, dann trat er zurück. »Lord Derfel«, begrüßte mich Mordred mit spöttischer Höflichkeit.
»Lord König«, gab ich zurück. Loholt und Amhar standen neben mir, während sich rings um den Kopfhaufen eine sensationsgierige Menge versammelt hatte, um meine Demütigung mit anzusehen.
»Steht auf, Lord Derfel«, befahl mir Mordred.
Ich erhob mich und blickte zu ihm auf, vermochte von seinem Gesicht aber nicht viel zu sehen, denn die Sonne, die hinter ihm im Westen unterging, blendete mich. Ich konnte erkennen, daß Argante auf einer Seite der aufgetürmten Köpfe stand, und neben ihr auch Fergal, ihr Druide. Sie mußten im Lauf des Tages aus Durnovaria nach Norden gekommen sein, denn bisher hatte ich sie noch nicht gesehen. Als sie mein bartloses Gesicht sah, lächelte sie.
»Was ist mit Eurem Bart geschehen, Lord Derfel?« fragte mich Mordred mit vorgetäuschter Sorge.
Ich schwieg.
»Sprecht!« befahl mir Loholt und versetzte mir mit seinem Stumpf einen Schlag auf den Kopf. Die Bärenklauen zerrissen mir das Gesicht.
»Er wurde abgeschnitten, Lord König«, antwortete ich.
»Abgeschnitten!« Er lachte. »Und wißt Ihr auch, warum er abgeschnitten wurde, Lord Derfel?«
»Nein, Lord.«
»Weil Ihr mein Feind seid«, sagte er.
»Das stimmt nicht, Lord König.«
»Ihr seid mein Feind!« schrie er in einem plötzlichen Wutanfall und hämmerte mit der Faust auf eine Armlehne seines Sessels, während er mich beobachtete, um zu sehen, ob ich bei seinem Zorn Angst zeigte.
»Als Kind«, wandte er sich an die Menge, »hat diese Kreatur da mich erzogen. Geschlagen hat er mich! Gehaßt hat er mich!« Die Menge brüllte, bis Mordred die Hand hob, um sie zum Schweigen zu bringen.
»Und außerdem hat dieser Mann« – um seinen Worten Unheil zu verleihen, zeigte er mit dem Finger auf mich – »Arthur geholfen, Prinz Loholt die Hand abzuschlagen.« Wieder brüllte die Menge zornig. »Und gestern«, fuhr Mordred fort, »wurde Lord Derfel in meinem Königreich mit einem fremden Banner gefunden.« Er winkte mit der Rechten, und sofort eilten zwei Mann mit Gwydres urintriefender Flagge nach vorn.
»Wessen Banner ist das, Lord Derfel?« fragte mich Mordred. »Es gehört Gwydre ap Arthur, Lord.«
»Und warum ist Gwydres Banner hier in Dumnonia?«
Einen Herzschlag lang oder zwei erwog ich zu lügen. Vielleicht konnte ich ja behaupten, ich hätte das Banner als eine Art Tribut an Mordred mitgebracht; aber ich wußte, daß er mir das nicht glauben würde, ja, schlimmer noch, daß ich mich selbst für diese Lüge verachten würde. Also hob ich statt dessen den Kopf. »Weil ich gehofft hatte, es bei der Nachricht von Eurem Tode wehen zu lassen, Lord König.«
Meine Aufrichtigkeit brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Die Menge murmelte, aber Mordred trommelte nur mit den Fingern auf der Armlehne seines Sessels. »Ihr erklärt Euch also zum Verräter«, stellte er nach einer Weile fest.
»Nein, Lord König«, gab ich zurück, »ich mag Euren Tod erhofft haben, aber ich habe nichts getan, um ihn herbeizuführen.«
»Ihr seid nicht nach Armorica gekommen, um mich zu retten!« schrie er mich an.
»Stimmt«, sagte ich.
»Warum nicht?« fragte er unheilvoll.
»Weil ich den schlechten gute Männer nachgeworfen hätte«, antwortete ich und zeigte auf seine Krieger. Sie lachten.
»Habt Ihr gehofft, daß Clovis mich töten würde?« erkundigte sich
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