Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
den Zauber auf, Morgan«, bat Arthur sie.
Wieder blieb Morgan still. »Es ist verboten, die Hexerei auszuüben«, sagte sie nach einer Weile. »Die Heilige Schrift sagt uns, daß wir keine Hexe am Leben lassen sollen.«
»Dann sagt mir, wie es gemacht wird«, bat Taliesin.
»Euch?« rief Morgan. »Euch? Meint Ihr etwa, Ihr könntet Merlins Magie aufheben? Wenn es denn getan werden muß, dann soll es auch richtig getan werden.«
»Von dir?« erkundigte sich Arthur. Morgan wimmerte. Mit ihrer gesunden Hand schlug sie das Kreuz; dann schüttelte sie den Kopf, so daß es schien, als bringe sie kein Wort mehr heraus. Arthur runzelte die Stirn. »Was ist es, das Dein Gott verlangt?« fragte er sie.
»Eure Seelen!« rief Morgan.
»Wollt Ihr, daß ich Christ werde?« erkundigte ich mich. Die Goldmaske mit dem ziselierten Kreuz fuhr empor, um mir in die Augen zu sehen. »Ja«, sagte Morgan schlicht.
»Dann werde ich es tun«, antwortete ich ebenso schlicht. Mit dem Finger zeigte sie auf mich. »Wollt Ihr getauft werden, Derfel?«
»Ja, Lady.«
»Und wollt Ihr schwören, meinem Gemahl gehorsam zu sein?«
Das ließ mich innehalten. Ich starrte sie an. »Sansum?« fragte ich sie leise.
»Er ist ein Bischof!« beharrte Morgan. »Er besitzt die Autorität Gottes! Wenn Ihr Euch bereit erklärt, ihm Gehorsam zu schwören, wenn Ihr Euch bereit erklärt, Euch taufen zu lassen, werde ich den Fluch aufheben.«
Arthur starrte mich an. Ein paar Herzschläge lang vermochte ich die Demütigung nicht zu schlucken, die Morgans Forderung für mich bedeutete; dann aber dachte ich an Ceinwyn und nickte. »Ich werde es tun«, sagte ich.
Also riskierte Morgan den Zorn ihres Gottes und hob den Zauberfluch auf.
Sie tat es noch am selben Nachmittag. In einem schwarzen Gewand kam sie zu uns in den Hof des Palastes, und ohne Maske, damit das Grauen ihres vom Feuer zerstörten Gesichtes, rot, vernarbt, wulstig und verzerrt, für uns alle sichtbar wurde. Sie war wütend auf sich selbst, hielt sich aber an ihr Versprechen und ging unverzüglich an ihre Aufgabe. Ein Kohlebecken wurde entzündet, und während das Feuer heiß wurde, schleppten Sklaven Körbe voll Töpferlehm herbei, aus dem Morgan eine Frauenfigur formte. Sie benutzte Blut von einem Kind, das am selben Vormittag in der Stadt gestorben war, und Wasser, das ein Sklave vom nassen Gras des Palasthofs streifte; beides vermischte sie mit dem Lehm. Zwar donnerte es nicht, aber Morgan versicherte uns, der Gegenzauber benötige keinen Donner. Vor Entsetzen über das, was sie gemacht hatte, spie sie aus. Es war ein groteskes Abbild, dieses Ding, eine Frau mit riesigen Brüsten, gespreizten Beinen und klaffendem Geburtskanal, und in den Bauch der Figur grub sie ein Loch, das, wie sie sagte, der Mutterleib sei, in dem das Böse ruhen müsse. Wie gebannt beobachteten Arthur, Taliesin und Guinevere, wie sie den Lehm formte und wie sie anschließend dreimal um die obszöne Figur herumschritt. Nach dem dritten Rundgang in Sonnenlaufrichtung blieb sie stehen, hob das Gesicht den Wolken entgegen und klagte. Einen Moment dachte ich, sie leide so große Schmerzen, daß sie nicht weitermachen könne, und daß ihr Gott ihr befehle, die Zeremonie abzubrechen, doch dann wandte sie ihr verunstaltetes Gesicht mir zu.
»Jetzt brauche ich das Böse«, sagte sie.
»Und was ist das?« fragte ich sie.
Der Schlitz, der ihr Mund war, schien zu lächeln. »Eure Hand, Derfel.«
»Meine Hand?«
Jetzt sah ich, daß der lippenlose Schlitz tatsächlich lächelte. »Die Hand, die Euch an Nimue bindet«, erklärte Morgan. »Wie sonst, meint Ihr, wäre das Böse kanalisiert worden? Ihr müßt sie abschlagen, Derfel, und mir aushändigen.«
»Aber …«, begann Arthur zu protestieren.
»Du hast mich zur Sünde gezwungen!« wandte sich Morgan kreischend an ihren Bruder. »Und nun willst du meine Weisheit anzweifeln?«
»Nein«, versicherte Arthur hastig.
»Mir ist es gleichgültig«, sagte sie desinteressiert. »Wenn Derfel seine Hand behalten will, bitte sehr. Soll Ceinwyn leiden.«
»Nein«, rief ich entsetzt, »nein!«
Wir ließen Galahad und Culhwch kommen; dann führte Arthur uns drei zu seiner Schmiede, wo das Feuer Tag und Nacht brannte. Ich zog den Liebesring vom Finger meiner Linken, gab ihn Morridig, Arthurs Schmied, und bat ihn, den Ring um Hywelbanes Schwertknauf zu schmieden. Der Ring, ein gewöhnlicher Kriegerring, bestand aus schlichtem Eisen, war aber mit einem Kreuz aus Gold geschmückt, das
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