Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
geifernd an und schickte Flüche über den inneren Ring aus fünf Feuern. Arthur griff hinunter und hob seinen Sohn mit starkem Arm zu sich in den Sattel. Dann wandte er sich um und sah zu Merlin hinüber.
Merlin, dessen Gesicht schweißüberströmt war, blickte uns gelassen an. Er stand in halber Höhe auf einer Leiter, an eine Art Galgen aus zwei Baumstämmen gelehnt, die senkrecht in den Boden gerammt waren, während ein dritter oben quer über sie gelegt war. Das Ganze befand sich im Mittelpunkt der fünf Feuer, die den mittleren Ring bildeten. Der Druide war mit einem weißen Gewand bekleidet, dessen Ärmel von den Handgelenken bis zu den Ellbogen rot von Blut waren. In der Hand trug er ein langes Messer, auf seinem Gesicht aber erkannte ich, und das schwöre ich, flüchtig einen Ausdruck unendlicher Erleichterung. Der Knabe Mardoc lebte, hätte aber nicht mehr sehr lange zu leben gehabt. Das Kind war bereits nackt – das heißt, bis auf einen Tuchstreifen, den man ihm um den Mund geknotet hatte, um seine Schreie zu ersticken – und hing an den Füßen vom obersten, quergelegten Baumstamm. Neben ihm, ebenfalls an den Füßen aufgeknöpft, hing ein bleicher, magerer Körper, der im Flammenschein sehr weiß wirkte, nur daß die Kehle des Toten fast bis zur Wirbelsäule durchtrennt und das gesamte Blut des Mannes in den Kessel gelaufen war. Es tropfte noch immer von den strähnigen, rotleuchtenden Enden der langen Haare des armen Gawain. So lang waren seine Haare, daß die blutigen Enden bis unter den goldenen Rand des goldensilbernen Kessels von Clyddno Eiddyn reichten, und nur an diesen langen Haaren erkannte ich, daß dort Gawain hing, denn sein hübsches Gesicht war mit Blut bedeckt, unter Blut versteckt, mit Blut übergossen. Merlin, noch immer mit dem langen Messer in der Hand, mit dem er Gawain getötet hatte, schien wie vom Donner gerührt über unsere Ankunft. Der erleichterte Ausdruck verschwand von seinem Gesicht, und nun vermochte ich seiner Miene überhaupt nichts mehr zu entnehmen; Nimue dagegen schimpfte noch immer laut kreischend auf uns ein. Sie hob ihre linke Handfläche, jene mit der Narbe, deren Zwilling ich an meiner linken Handfläche trug. »Töte Arthur!« schrie sie mir zu. »Du bist mein narbenverschworener Mann, Derfel! Töte ihn!
Wir dürfen jetzt nicht aufhören!«
Plötzlich glitzerte eine Schwertklinge vor meinem Bart. Galahad hielt sie, und Galahad lächelte mir feundlich zu. »Keine Bewegung, mein Freund!« befahl er mir. Er kannte die Macht eines Treueschwurs. Aber er wußte auch, daß ich Arthur nicht töten würde, wollte mir aber Nimues Rache ersparen. »Wenn Derfel sich rührt«, rief er Nimue zu,
»werde ich ihm die Kehle durchschneiden!«
»Tut es doch!« schrie sie. »Dies ist die Nacht, um Königssöhne zu töten!«
»Nicht meinem Sohn«, sagte Arthur.
»Ihr seid kein König, Arthur ap Uther«, meldete sich endlich Merlin zu Wort. »Habt Ihr geglaubt, ich würde Gwydre töten?«
»Warum sollte er sonst hier sein?« fragte ihn Arthur. Er hatte einen Arm um Gwydre gelegt, während er mit der anderen Hand sein blutiges Schwert umklammerte. »Warum ist er hier?«
Zum erstenmal fehlten Merlin die Worte, und Nimue antwortete. »Er ist hier, Arthur ap Uther«, sagte sie höhnisch, »weil der Tod dieser elenden Kreatur möglicherweise nicht genügt.« Sie zeigte auf Mardoc, der hilflos am Galgen zappelte. »Er ist zwar der Sohn eines Königs, nicht aber der rechtmäßige Erbe.«
»Dann hätte Gwydre also sterben müssen?« fragte Arthur.
»Und wäre wieder zum Leben erwacht!« sagte Nimue kampflustig. Um trotz des Lärms der großen Feuer gehört zu werden, mußte sie schreien. »Kennt Ihr die Macht des Kessels denn nicht? Legt man die Toten in den Kessel von Clyddno Eiddyn, werden die Toten wieder gehen, wieder atmen, wieder leben.« Wahnsinn glomm in ihrem einen Auge, als sie sich Arthur näherte. »Gebt mir den Knaben, Arthur!«
»Nein.« Arthur zog Llamreis Zügel an, und die Stute machte einen Satz, der sie von Nimue entfernte. Nimue wandte sich an Merlin. »Tötet ihn!« schrie sie und zeigte auf Mardoc. »Wir können’s wenigstens mit ihm versuchen. Tötet ihn!«
»Nein!« schrie ich.
»Tötet ihn!« kreischte Nimue, und als Merlin sich nicht rührte, stürzte sie hektisch auf den Galgen zu. Merlin schien reglos erstarrt zu sein, dann jedoch wendete Arthur Llamrei abermals, um Nimue den Weg abzuschneiden. Er rammte sie mit seinem Pferd, so daß sie auf den
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