Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
ist nicht dasselbe wie geliebt werden.« Plötzlich sank sie auf eine Bank neben der Holztruhe. »Und angebetet werden, Derfel, ist unendlich ermüdend. Nun aber scheint er eine neue Göttin gefunden zu haben.«
»Wie bitte, Herrin?«
»Das wußtet Ihr nicht?« Sie schien erstaunt zu sein; dann hob sie den Brief auf. »Hier, lest!«
Ich nahm das Pergament entgegen. Es trug kein Datum, nur die Absende-Adresse Moridunum, ein Zeichen dafür, daß es in Oengus mac Airems Hauptstadt ausgefertigt worden war. Der Brief war in Arthurs kräftiger Handschrift gehalten und so kalt wie der Schnee, der dick auf der Fensterbank lag. »Ihr solltet wissen, Lady«, hatte er geschrieben,
»daß ich Euch als meine Gemahlin verstoße und statt dessen Argante, Oengus mac Airems Tochter, zur Frau nehme. Gwydre verstoße ich hiermit nicht, nur Euch.« Das war der ganze Text. Er trug nicht mal eine Unterschrift.
»Wußtet Ihr wirklich nichts davon?« fragte mich Guinevere.
»Nein, Lady«, antwortete ich, über den Inhalt sehr viel erstaunter als sie. Ich hatte Männer sagen hören, daß Arthur sich eine neue Gemahlin nehmen sollte, aber er hatte nie etwas zu mir gesagt, und ich fühlte mich gekränkt darüber, daß er kein Vertrauen zu mir gehabt hatte. Ich fühlte mich gekränkt und tief enttäuscht. »Ich habe nichts gewußt«, versicherte ich ihr.
»Irgend jemand hat den Brief geöffnet«, sagte Guinevere ironisch.
»Ihr könnt es sehen, er hat einen Schmutzfleck am unteren Rand hinterlassen. Das würde Arthur niemals tun.« Sie lehnte sich zurück, bis ihr widerspenstiges rotes Haar gegen die Wand gedrückt wurde.
»Warum vermählt er sich?« wollte sie wissen.
Ich zuckte die Achseln. »Jeder Mann sollte sich vermählen, Lady.«
»Unsinn! Ihr haltet doch nicht weniger von Galahad, nur weil er sich niemals vermählt hat – oder?«
»Jeder Mann braucht …«, begann ich, dann verstummte ich.
»Ich weiß, was jeder Mann braucht«, erklärte Guinevere belustigt.
»Aber warum vermählt sich Arthur jetzt? Glaubt Ihr, daß er dieses Mädchen liebt?«
»Das hoffe ich, Lady.«
Sie lächelte. »Er vermählt sich, Derfel, um zu beweisen, daß er mich nicht liebt.«
Ich glaubte ihr, wagte ihr aber nicht zuzustimmen. »Ich bin sicher, daß es Liebe ist, Lady«, behauptete ich statt dessen. Sie lachte. »Wie alt ist Argante?«
»Fünfzehn?« schätzte ich. »Vielleicht aber auch erst vierzehn.«
Sie krauste die Stirn, überlegte. »Ich dachte, sie sollte Mordred heiraten!«
»Das dachte ich auch«, antwortete ich, denn ich erinnerte mich genau, daß Oengus sie unserem König als Braut angeboten hatte.
»Aber warum sollte Oengus das Kind mit einem humpelnden Idioten wie Mordred vermählen, wenn er sie in Arthurs Bett legen kann?« sagte Guinevere. »Erst fünfzehn, meint Ihr?«
»Höchstens.«
»Ist sie hübsch?«
»Ich habe sie nie zu Gesicht bekommen, Lady, aber Oengus sagt, daß
sie hübsch ist.«
»Die Ui Liathäin bringen hübsche Mädchen hervor«, sagte Guinevere.
»War ihre Schwester schön?«
»Iseult? Ja, auf ihre Art.«
»Dieses Kind muß schön sein«, sagte Guinevere belustigt. »Sonst würde Arthur sie nicht ansehen. Alle Männer müssen ihn bewundern. Das verlangt er von seinen Gemahlinnen. Sie müssen schön sein und sich natürlich weit besser benehmen als ich.« Sie lachte und sah mich von der Seite an. »Aber selbst wenn sie schön und brav ist, wird es nicht funktionieren, Derfel.«
»Nein?«
»O ja, die Kleine wird ihm Kinder gebären, falls es das ist, was er will; aber wenn sie nicht klug ist, wird sie ihn sehr schnell langweilen.«
Sie richtete den Blick ins Feuer. »Warum, glaubt Ihr, hat er mir diesen Brief geschrieben?«
»Weil er findet, daß Ihr es wissen solltet«, antwortete ich. Darüber lachte sie. »Ich sollte es wissen? Was kümmert’s mich, daß
er sich mit irgendeinem irischen Kind ins Bett legt? Ich muß es nicht wissen, aber er mußte es mir unbedingt mitteilen.« Wieder musterte sie mich. »Und er will wissen, wie ich reagiert habe, nicht wahr?«
»Will er das?« fragte ich verwirrt zurück.
»Natürlich will er das. Also sagt ihm, Derfel, daß ich gelacht habe.«
Trotzig starrte sie mich an; dann zuckte sie plötzlich die Achseln. »Nein, sagt ihm das nicht. Sagt ihm, daß ich ihm alles Glück auf Erden wünsche. Sagt ihm, was immer Ihr wollt, aber erbittet eine Gefälligkeit von ihm.« Sie hielt inne, und mir fiel ein, wie sehr sie es haßte, Gefälligkeiten zu erbitten.
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