Ascalon – Das magische Pferd, Band 1: Ascalon – Das magische Pferd. Die Wächter des Schicksals (German Edition)
reiten. Aber das ging natürlich nicht. Ihre Mutter würde bald zurückkommen und dann musste er wieder im Stall stehen, als wäre er niemals fort gewesen. Wenn herauskam, dass sie ihn ohne Erlaubnis geritten hatte, würde es großen Ärger geben, und das wollte Muriel nicht riskieren.
Ihre gute Laune sank weiter, als sie die roten Wellblechdächer der Stallungen hinter den Bäumen auftauchen sah. Ohne dass es ihr bewusst wurde, ließ sie die Zügel noch etwas mehr durchhängen und gestattete Ascalon so behäbig vor sich hin zu trotten, wie es sonst nur Titus oder die hochbetagten Pferde taten, die auf dem Birkenhof ihr Gnadenbrot bekamen.
»Muriel, wo bleibst du denn?« Nadine, die mit Fanny schon ein ganzes Stück voraus war, drehte sich zu ihr um. »Nun komm schon. Oder willst du hier übernachten?«
»Nee.« Muriel spornte Ascalon zu einem kurzen Zuckeltrab an und schloss zu ihrer Freundin auf. »Es ist nur so schade, dass der Ausritt schon vorbei ist«, sagte sie und gab damit ein wenig von dem preis, was in ihr vorging.
»Ach was, mit Nero hat es doch auch immer Spaß gemacht.« Nadine lachte. »Sei froh, dass du das edle Tier überhaupt einmal reiten konntest. Wenn Teresa nicht gestürzt wäre, hättest du nie … Ach du mein Schreck! Sieh mal da vorn. Ist das nicht deine Mutter?« Nadine deutete voraus, wo sich am Ende des Waldwegs die Silhouette einer Frau vor dem sonnenbeschienenen Hofplatz abzeichnete. »So ein Mist, sie ist schon zurück! Was machen wir denn jetzt?«
»Meine Mutter?« Muriel zuckte erschrocken zusammen. Während sie sich im Sattel aufrichtete und vorausspähte, gingen ihr tausend Erklärungen durch den Kopf, von denen jedoch nicht eine das drohende Donnerwetter würde aufhalten können.
»Sie ist da vorn im Schatten unter den Bäumen«, erklärte Nadine.
Dann sah Muriel sie auch. Am Ende des Wegs stand tatsächlich eine Frau – aber es war nicht ihre Mutter. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht und ein heftiges Schwindelgefühl zwang sie, sich am Sattelknauf festzuhalten.
Wer immer dort stand, hatte ein bodenlanges Gewand an, das stark an die Kleider einer Nonne erinnerte. Eine weite Kapuze bedeckte den Kopf und verhüllte das Gesicht. Genau wie bei … Muriel schluckte trocken … der Frau aus ihren Visionen!
»Oh, Mann. Ich hoffe, du hast eine gute Erklärung für den unerlaubten Ausritt parat«, murmelte Nadine, die Muriels Entsetzen nicht zu bemerken schien. »Deine Mutter findet es bestimmt nicht lustig, dass du Ascalon einfach …« Sie stutzte und blickte Muriel an. »Sag mal, was ist denn mit dir los? Du bist ja ganz blass. Ich kann mir ja vorstellen, dass du Angst hast, nach Hause zu reiten, aber nun ist es ohnehin zu spät. Deine Mutter hat uns bereits gesehen.« Sie klopfte Muriel mit der flachen Hand aufmunternd auf den Rücken und sagte: »Na, komm. Sie ist bestimmt stinksauer, aber sie wird dir schon nicht den Kopf abreißen. Wir können ja sagen, dass ich dich gedrängt habe Ascalon zu nehmen, dann teilen wir uns den Ärger.«
Muriel antwortete nicht. Sie saß nur da und starrte geradeaus.
»Mensch, Muriel, jetzt komm. Augen zu und durch!« Nadine wurde allmählich ungeduldig. »Wir haben Mist gebaut und sind erwischt worden. Das ist Pech, aber es lässt sich nicht mehr ändern. Besser, wir bringen die Standpauke schnell hinter uns. Wenn wir hier weiter herumtrödeln, machen wir es nur noch schlimmer. Du siehst doch, dass deine Mutter wartet.« Als Muriel immer noch keine Anstalten machte weiterzureiten, nahm sie die Zügel fest in die Hand und sagte: »Also gut, wenn du nicht willst, ist es deine Sache. Ich reite jetzt zurück und sage deiner Mutter … He, wo ist sie denn hin?« Verwundert schaute sie den Weg entlang, der nun wieder wie leer gefegt vor ihnen lag. »Seltsam. Na, vermutlich hat sie uns kommen sehen und wartet jetzt im Stall auf uns – was meinst du?«
»Ja, vermutlich.« Muriel war immer noch nicht ganz bei der Sache. Was hier geschah, war völlig unmöglich. Diese Frau gab es nur in ihren Träumen. Sie konnte nie und nimmer hier auftauchen. Schon gar nicht am helllichten Tag.
Muriel hatte das Gefühl, als würde eine eisige Faust ihr Herz umklammern. Sie hatte zwar ein Faible für Übersinnliches, aber an Geister glaubte sie nicht – zumindest hatte sie es bisher nicht getan. Ein Irrtum war jedoch ausgeschlossen, denn Nadine hatte die Frau auch gesehen.
»Kommst du nun mit – oder nicht?« Nadines Stimme klang allmählich richtig
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