Asche auf sein Haupt: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
Vertäfelungen aus der Stuart-Zeit, waren ein für alle Mal verloren und konnten nicht ersetzt werden. »Sie müssen den Rest einebnen«, hatte der Sachverständige gesagt.
»Einebnen«, murmelte Gervase, als er vorsichtig eine Wasserpfütze umrundete und über einen herabgestürzten Balken kletterte. Die Mauern boten nur noch unzureichenden Schutz gegen das Wetter. Kalte Nachtluft wehte durch das offene Dach und die leeren Öffnungen, wo früher Fenster und Türen gewesen waren. Sie wehte durch die Räume, raschelte in der Schlacke, wirbelte Hände voll Asche auf und schleuderte sie in die Höhe. Gervase hielt sich die Hand vor Mund und Nase, um die Asche und den Ruß nicht einzuatmen. Indem er hindurchwatete, machte er alles noch schlimmer. Das Gewicht seiner Schritte pulverisierte das verbrannte Holz. Der Wind hatte plötzlich eine Stimme. Er seufzte und ächzte und pfiff durch schmale Spalten und Risse ringsum. Ständig bewegte sich irgendwo etwas. Holz knackte und barst, Bröckchen und Brocken von Gemäuer fielen herab. Es war wie an Bord eines der großen alten Segelschiffe aus Holz, stellte er sich vor, wie ein lebendiges Ding, das ständig nach Aufmerksamkeit verlangte. Er musste an den Küchenschrank denken, der beinahe auf Sarah Gresham gefallen wäre. Er hatte ihr gesagt, es wäre nicht sicher im Haus, und er täte gut daran, sich an seinen eigenen Rat zu halten.
Er richtete den Strahl der Taschenlampe auf den Boden, und dort lagen Sarahs Blumen, traurig verwelkt inmitten der Überreste des Schranks. Der Anblick war ein stiller Vorwurf. Doch er war nicht verantwortlich für die Handlungen eines Wahnsinnigen. Auch wenn diese Handlungen auf irgendeine Weise mit ihm in Verbindung standen, dessen war er sicher. Genauso, wie er mit dem Haus verbunden war. Wie ein viktorianischer Häftling durch eine Kette mit seiner Eisenkugel.
»Warum bloß habe ich nicht schon vor Jahren daran gedacht, ein Streichholz an diesen verdammten Kasten zu halten?«, fragte er sich laut.
Wie zur Antwort hörte er ein neues Geräusch, anders als die anderen. Er drehte den Kopf und leuchtete seine unmittelbare Umgebung ab. Der Lichtkegel erfasste Trümmer und Asche, sonst nichts. Trotzdem hatte er plötzlich das merkwürdige Gefühl, nicht allein zu sein.
Er wartete darauf, dass sich das eigenartige Geräusch wiederholte, um ein Gefühl für die Richtung zu entwickeln, aus der es kam. Es wiederholte sich nicht. Stattdessen ertönte ein leises Schnaufen von sich bewegender Luft, ganz anders als das vorhergehende Seufzen des Windes. Er konnte es nicht sogleich zuordnen, doch dann dämmerte es ihm. Es war das Geräusch von mühsamem Atmen. Jemand oder etwas war hier bei ihm. Sein Herzschlag stockte, und er kämpfte die instinktive Panik nieder.
»Hallo?«, rief er in scharfem Ton. Seine Stimme klang in der nächtlichen Stille lauter, als er selbst es erwartet hatte. »Ich kann Sie hören, und wenn Sie glauben, Sie können mir Angst machen, dann sind Sie auf dem Holzweg!«, fügte er mit mehr Zuversicht hinzu, als er verspürte. »Kommen Sie heraus und hören Sie auf, im Dunkeln herumzuschleichen! Das ist nämlich verdammt dumm! Die Ruine ist nicht mehr sicher.«
» Nein … « Das Wort wehte durch die Nachtluft herbei, nur wenig mehr als ein Stöhnen.
Das Blut gefror ihm in den Adern. Er schüttelte den Kopf, um wieder klar zu werden. Er glaubte nicht an Gespenster. Die gab es nur in Geschichten wie derjenigen, die er selbst vor so vielen Jahren erfunden hatte, um Kit Angst zu machen. Doch ein Mann war hier gestorben, erst vor wenigen Tagen, praktisch direkt vor ihm. Es war ein brutaler, grausamer, hässlicher Tod gewesen – und da draußen bewegte sich irgendwas, teilte sich den Platz mit ihm.
»Hören Sie auf mit diesen albernen Spielchen!«, schnappte er laut. »Wenn Sie etwas zu sagen haben, kommen Sie heraus und reden Sie!«
»Gervase?« , fragte die Stimme, kaum mehr als ein Hauch. Die letzte Silbe verklang.
Es war so leise, so schwach, dass er nicht sicher war, ob er sich alles nur einbildete. Vielleicht kam alles von irgendwo in seinem Kopf. Es war schwierig bis unmöglich zu sagen, aus welcher Richtung die geisterhafte Stimme gekommen war. Die Dunkelheit war desorientierend. Er leuchtete erneut mit der Taschenlampe umher, ohne Ergebnis. Wo? Und wer?
»Ich weiß, dass jemand da ist!«, rief er leise. »Kit? Bist du das?« Er hielt den Atem an. Keine Antwort. Nicht einmal das mühselige Atmen.
»Wer auch immer Sie
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