Asche auf sein Haupt: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
mich nach Hause zu fahren, dass ich in sein Auto sprang und an nichts anderes denken konnte, als dass ich ihn ganz alleine für mich hatte.
Und dann … Petra schloss die Augen, doch es gelang ihr nicht, die Erinnerung wegzuwischen. Es musste schnell gegangen sein, doch zu jener Zeit schien alles wie in Zeitlupe abzulaufen. Das Auto geriet ins Schleudern, und die Bruchsteinmauer eines Feldes raste immer schneller heran. Gervase fluchte, Panik in der Stimme, und kurbelte wild am Lenkrad, außerstande, das Unglück zu verhindern. Sie hatte die Arme hochgerissen, um das Gesicht zu schützen … Ihr fehlte jegliche Erinnerung an den Aufprall oder die Zeit unmittelbar danach. Sie war erst wieder in einem Krankenhausbett aus der Bewusstlosigkeit erwacht.
Petra wischte die Erinnerung beiseite. Sie lenkte den Rollstuhl in die Scheune und griff nach ihrem Pinsel. Sie hatte die Auftragsarbeit von Black Beauty fast beendet. Noch eine Stunde, vielleicht auch weniger, und das Bild war fertig. Sie war zufrieden mit ihrer Arbeit. Sie hatte verschiedene Ideen probiert und wieder verworfen und letzten Endes auch von sämtlichen Requisiten der damaligen Epoche Abstand genommen: dem Reitkleid, dem Damensattel und so weiter. Sie hatte sich für die Darstellung des prachtvollen Tiers in figura entschieden, hoch aufgerichtet auf der Hinterhand mit wallender Mähne, geblähten Nüstern und glänzend schwarzem Fell vor einer hellen Landschaft.
Sie war so versunken in ihre Arbeit, dass sie nicht weiter darauf achtete, als draußen auf der Straße ein Wagen hielt. Manchmal machten über das Land fahrende Touristen Halt, um sich The Barn ein wenig genauer anzusehen.
Dann jedoch hörte sie das Tor knarren, gefolgt von Schritten auf dem Kies. Der Besucher zögerte, während er zu überlegen schien, ob er zum Cottage oder hierher zum Atelier gehen sollte.
Er entschied sich für das Atelier. Sie wusste, dass es sich um einen Mann handelte – sie hörte es an seinen schweren Schritten. Ihre Sinne waren mit einem Mal so angespannt und hellwach, dass es an Panik grenzte. Nicht die Art Panik, die man mit Angst verbindet, sondern vielmehr Aufregung angesichts eines Augenblicks, den sie sich in den letzten Jahren unzählige Male erträumt hatte und der nun im Begriff stand, Wirklichkeit zu werden. Black Beauty auf der Leinwand schien ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen, wie er sich hoch aufbäumte und mit wilden Blicken über ihre Schulter hinweg zur Tür sah.
Sie drehte sich nicht um, sie ertrug es nicht, während sie immer wieder dachte Gott sei Dank ist Kit schon weg …
Der Neuankömmling räusperte sich, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen.
Endlich wendete Petra den Rollstuhl zu dem schattenhaften Umriss im offenen Scheunentor um.
»Hallo Gervase …«, sagte sie.
K APITEL 7
»Gebrauchtwagen. TÜV und ASU. Reparaturen aller Art«, verkündete ein verwittertes Schild über der Zufahrt zu der in einer Nebengasse gelegenen Autowerkstatt. Auf dem Vorhof warteten mehrere Fahrzeuge verschiedener Marken, die ihre besten Zeiten schon eine ganze Weile hinter sich hatten, auf einen potenziellen Käufer. Hinter den Windschutzscheiben lagen Schilder, auf denen die Preise standen. Die Schilder waren durch lange Sonneneinwirkung vergilbt. Es gab keine Anzeichen von Aktivität. Das Geschäft schien nicht besonders gut zu laufen.
Der Renault Clio bog in den Hof ein, und ein junger Mann stieg aus. Er ging zur offenen Tür der Werkstatt und spähte in das Dämmerlicht.
»Gaz? Bist du da? Gaz?«
Als er keine Antwort erhielt, wagte er sich hinein und bewegte sich vorsichtig in Richtung des im hinteren Bereich gelegenen Büros. Durch die schmutzigen Scheiben erspähte er eine Person, die mit hochgelegten Füßen und einem Kaffeebecher in der Hand in einer Boulevardzeitung las. Der Besucher klopfte gegen das Glas.
Der Mann auf der anderen Seite drehte den Kopf, ohne dabei seine Haltung zu verändern.
»Was wollen Sie?« Seine Stimme klang gedämpft durch das Glas. Nun konnte man sein langes, ungewöhnlich schmales Gesicht erkennen. Der Mangel an Haaren auf dem Kopf verstärkte diesen Eindruck noch. Als Ausgleich zum fehlenden Haar auf dem Oberkopf hatte er den umlaufenden Haarkranz bis auf den Kragen wachsen lassen.
»Ich hab ein Geschäft für dich, Gaz.« Der Besucher klang überzeugt, geradezu optimistisch. Auf dem Weg hierher hatte er die Worte immer wieder wiederholt, um jedes verräterische Zittern aus seiner Stimme zu verbannen. Und nun brachte
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