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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Mittelmeer nicht mal zu erahnen. Die Kurven wurden schärfer, der Straßenbelag noch schlechter. Eine merkwürdige Gegend für eine Villa, die einem der vermögendsten Männer Europas gehörte. Aber was wusste sie schon über exzentrische Milliardäre? Nur, wie sie im Hotel ihre Zahnbürsten platzierten und wo sie ihr Bargeld versteckten.
    Rechts und links der Straße wuchsen Zypressen und Pinien. Als Ash das Fenster ein wenig öffnete, roch die Luft nach Harz und Nadelbäumen. Immer wieder kamen sie an riesigen Kakteen vorbei, an Palmen und Ginsterbüschen. Manchmal entdeckte sie in der Ferne Berghänge, an denen sich die Natur nach früheren Flächenbränden erst langsam erholte. London mit seinen Betontrassen und Häuserschluchten war von dieser urwüchsigen Landschaft so weit entfernt wie der Mond.
    Noch einmal durchfuhren sie ein winziges Dorf, ehe die Abgeschiedenheit der Berge sie vollends erfasste. Keine Häuser, sogar die Feuerwarnungen blieben aus. Noch nie war Ash so weit von anderen Menschen entfernt gewesen. Als sie das erwähnte, lachte Parker und sagte, dass der Eindruck täusche. In nicht allzu großer Entfernung verlaufe die D25, die Schnellstraße nach Sainte-Maxime und Saint-Tropez, Orten mit Supermärkten, Clubs und mehr Hotelzimmern als Einheimischen.
    »Ich mag es hier«, sagte sie.
    »Weil es ungewohnt ist?«
    »Weil einen hier keiner schief ansieht, wenn man seine Ruhe haben will. Das alles hier sieht aus, als wäre es nur dafür gemacht, tagelang kein Wort zu reden.«
    Parker nickte und deutete einen Hang zu ihrer Linken hinab. Und dort, über Baumwipfel und Felsen hinweg, fiel Ashs Blick auf das Ziel ihrer Reise: eine Ansammlung dunkelbrauner Bauten. Aber schon nach der nächsten Biegung verschwand das Anwesen wieder aus ihrem Blickfeld.
    Die Straße führte steil nach unten. Unmittelbar vor der nächsten Rechtskurve bog Parker scharf links in den Wald. Der Weg war asphaltiert, gerade breit genug für einen Lieferwagen und schlängelte sich durch die Schatten von Eichen und Pinien. Es war zu düster, obwohl die Mittagssonne hoch am Himmel stand. Ihre Strahlen gelangten kaum bis zum Grund des lang gestreckten Tals, in das sie sich immer tiefer hineinbewegten.
    Parker erschien ihr wachsamer als zuvor. Er behielt den umliegenden Wald im Blick und schaute regelmäßig in den Rückspiegel. Und noch etwas fiel ihr auf: Auf seiner Stirn standen Schweißtropfen. Dabei war es nicht warm im Auto. Die Klimaanlage hielt die Innentemperatur seit Stunden konstant.
    »Guignol?«, fragte sie.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Dein Vater?«
    Parker winkte ab, als wäre Royden Cale das geringste seiner Probleme.
    »Was –« Dann wurde es ihr klar. Seine Hände zitterten, obwohl er sie fest ums Steuer gekrallt hatte. »Fuck«, murmelte sie. »Wie lange schon?«
    »Erst auf dem letzten Stück.«
    Das letzte Stück konnten zwei Meilen sein oder zweihundert. Aber dann hätte sie doch etwas merken müssen, an der Art, wie er sprach oder sich verhielt.
    »Kann ich was tun?«
    »Du nicht – aber sie.« Selbst das Kopfnicken, mit dem er nach vorn deutete, schien ihm jetzt schwerzufallen.
    Vor ihnen öffnete sich eine Lichtung, durch deren Mitte ein hoher Gitterzaun mit Stacheldrahtkrone verlief. Ein Eisentor versperrte den Weg. Davor lungerten drei Männer in Lederkleidung herum. Einer las gerade auf einem Tabletcomputer, die beiden anderen unterhielten sich. Ein Stück entfernt parkten am Rand der Lichtung zwei Motorräder. Neben den Männern standen offene Taschen mit etwas, das Ash beim Näherkommen als Fotoausrüstungen identifizierte.
    In diesem Moment wurden die drei auf den Wagen aufmerksam.
    »Falls du nicht willst, dass sie dein Bild bekommen«, sagte Parker, »beug dich ganz weit nach vorn und bleib unten.«
    »Damit ich aussehe, als ob ich mir auf die Füße kotze?« Mit einem Kopfschütteln setzte sie sich aufrecht hin.
    Einen Moment schien es, als wollte Parker die Paparazzi über den Haufen fahren. Dann aber bremste er scharf und brachte ein strahlendes Lächeln zu Stande, das zum ersten Mal seine Qualitäten als Schauspieler verriet.
    Mit bebenden Fingern ließ er das Fenster hinunter. »Sag am besten gar nichts«, raunte er ihr zu und blickte den Männern entgegen, die eilig näher kamen. Schon richteten sich die ersten Objektive auf das Fahrzeug.
    Ash zog die Polaroidkamera aus ihrem Gepäck und ließ den Rucksack zurück auf den Fußboden fallen, genau auf den Griff der Schrotflinte. Als der erste

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