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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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an die Küste. Ich hab nicht vor, lange hierzubleiben. Ein paar Stunden nur, um diese Sache mit ihm zu klären.«
    »Wo willst du danach hin? Monaco?«
    »Wieso Monaco?«
    »Lucien wird dort sein. Und vielleicht auch diese Epiphany.«
    Er sah aus, als hätte er sich beim Lächeln auf die Zunge gebissen. »Das wäre keine gute Idee.«
    Über die beiden hatte es die unvermeidlichen Gerüchte gegeben. Ash hatte hier und da etwas aufgeschnappt, sich aber nie dafür interessiert. Sie war nicht sicher, ob sich daran etwas geändert hatte; und falls doch, aus welchem Grund.
    »Okay«, sagte sie, weil sie in Wahrheit gar nicht von ihm fortwollte. »Dann redest du mit deinem Vater und ich packe in der Zwischenzeit das Tafelsilber ein. Und was sonst so rumliegt.«
    Parker grinste. »Die ganze Villa ist videoüberwacht. Es gibt Wachleute, und die Hunde willst du gar nicht erst kennenlernen. Sie waren ein Geschenk von einem chinesischen Geschäftspartner. Kreuzungen aus Bullmastiff, Rottweiler und weiß Gott, was noch. Solche Züchtungen sind hier eigentlich verboten, aber Dad hat einen Narren an ihnen gefressen.« Sie dachte, dass jemand, der Hunde liebte, kein allzu schlechter Mensch sein konnte, aber Parker setzte hinzu: »Nicht etwa, weil er die Biester so liebt. Ich glaube, ihm gefällt nur die Vorstellung, dass er ihnen befehlen kann, jeden in Stücke zu reißen, dessen Nase ihm nicht passt.«
    »Ich mag ihn jetzt schon.«
    »Er dich nicht.« Als er ihren fragenden Blick bemerkte, ergänzte er: »Das hat nichts mit dir zu tun. Er erträgt es einfach nicht, wenn ich irgendwen mitbringe.«
    »Noch kann ich –«
    »Nein.« Offenbar blieb er bei seinem Entschluss. »Ich fahre dich ans Meer. Das bin ich dir schuldig.«
    »Du schuldest mir überhaupt nichts.«
    »Wegen mir bist du gestern Nacht fast umgebracht worden!«
    Sie beugte sich vor, um ihm ins Gesicht zu sehen. »Ist es das? Lässt du mich deshalb nicht allein weiterfahren? Ich dachte, Guignol ist hinter dir her.«
    »Und ich dachte, er ist hinter meinem Vater her. Wer weiß, vielleicht ist seine Feindschaft ansteckend.«
    »Er würde mich doch nie im Leben finden!«
    »Täusch dich mal nicht.«
    »Oder ist es, weil ich euer schmutziges Geheimnis kenne?«
    »Genau. Ich muss dich jetzt töten. Niemand, der Bescheid weiß, darf weiterleben.«
    Sie verdrehte die Augen und hob kapitulierend ihre Hände. »Schon gut. Wir fahren zusammen.«
    Parker wirkte zufrieden, wenn auch nicht glücklich. »Im Ernst«, sagte er. »Jede andere hätte sich nach so was wie gestern aus dem Staub gemacht. Aber du bist mit mir gekommen. Warum?«
    »Schon mal daran gedacht, dass ich die verdammte Sprache nicht spreche?«
    »Du wärst nicht verhungert. Und du hättest ganz sicher einen Weg gefunden, ohne mich ans Meer zu kommen. Überhaupt, mach mir doch nichts vor. Das Meer ist schön, aber du kommst mir nicht vor wie jemand, der für einen Strandspaziergang sein Leben aufs Spiel setzt.«
    Sie blickte nach vorne auf den brüchigen Asphalt der Bergstraße. Hier gab es weder einen Mittelstreifen noch Leitplanken. In den Kurven trennten sie wenige Meter von einem Sturz in den Abgrund. »Es kam mir einfach so vor, als wäre es das Interessanteste, was ich tun könnte«, sagte sie. »In meinem Leben hat es nie Ziele gegeben, die über einen Platz zum Schlafen und ein paar Pfund in der Tasche hinausgingen. Aber das hier, du, diese Fahrt nach Frankreich, sogar Guignol … das ist neu und es ist anders. Klingt ziemlich verdreht, oder?«
    Er schüttelte den Kopf. »Klingt nach dir.«
    »Du kennst mich doch gar nicht.«
    »Immer besser.«
    Meinte er das ernst? Sie hatte noch immer das Gefühl, so gut wie nichts über ihn zu wissen. Sogar von seinem Vater hatte sie ein klareres Bild als von ihm selbst, obwohl er doch seit Stunden neben ihr saß. Sie fand einfach keine Schublade für ihn. In die eine – die mit der Aufschrift Unausstehlicher Filmstar  – passte er schon lange nicht mehr hinein.
    Während der letzten Meilen beobachtete sie ihn verstohlen. Auf der kurvigen Straße musste er laufend die Gänge wechseln. Dabei stieß er den Knüppel der Schaltung mit wachsender Ungeduld in die Positionen. Er nahm die bevorstehende Begegnung mit seinem Vater nicht so leicht, wie er vorgab.
    In La Garde-Freinet bogen sie in eine schmale Straße, die nach Osten führte, tiefer hinein ins Massif des Maures. Alle paar Meilen passierten sie Schilder, die vor der Waldbrandgefahr warnten. Nach wie vor war das

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