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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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brüllte er, um das infernalische Gebell zu übertönen. Er sprach Englisch; die Männer, die das Anwesen bewachten, arbeiteten für ein amerikanisches Sicherheitsunternehmen. Ex-Marines, behauptete sein Vater. Ex-Söldner, glaubte Parker.
    »Hi, Mister Cale«, begrüßte ihn der Mann. Er war groß und kahl rasiert. Als er Ash bemerkte, nickte er ihr zu. »So geht das seit gestern Abend. Sie drehen völlig durch. Wir haben sie letzte Nacht nicht rausgelassen, weil wir nicht sicher sind, ob wir sie wieder einfangen können. Ich hab versucht, mit Ihrem Vater darüber zu sprechen, aber er … hatte wohl zu tun.«
    Parker wechselte einen Blick mit Ash. »Sieht so aus.« Die Hunde gehorchten seinem Vater aufs Wort. Auch Parker war in ihr Training einbezogen worden, aber er hatte nie Ambitionen gehabt, ihnen Befehle zu geben. Es genügte, dass sie ihn nicht angriffen.
    »Ich habe Ihrem Vater vorgeschlagen, einen Tierarzt zu rufen«, sagte der Wachmann. »Er war allerdings anderer Meinung.«
    Aus dem Augenwinkel sah Parker, wie Ash an eines der Gitter trat.
    »Miss«, sagte der Mann, »seien Sie bitte vorsichtig.«
    Sie nickte, ohne ihn anzusehen. Sie hatte nur Augen für die beiden Hunde, die hinter den Eisenstäben tobten. Als sie vor dem Zwinger in die Hocke ging, waren die roten Augen der Tiere auf einer Höhe mit ihren.
    »Pass bitte auf«, warnte Parker sie und natürlich scherte sie sich keinen Deut darum.
    Sie kauerte da in ihrer weiten Batikbluse und der Schlaghose wie ein Gespenst aus der Vergangenheit seines Vaters. Wie hypnotisiert, als wollte sie im nächsten Moment die Hand nach einem der Hunde ausstrecken. Er spannte sich, um sie im Notfall fortzuziehen.
    »Ash«, sagte er, diesmal lauter.
    Die Tiere ignorierten sie, nicht eines blickte in ihre Richtung. Das war mehr als seltsam, denn Ash war eine Fremde. Die Hunde waren darauf abgerichtet, Unbekannte zu stellen und sofort zu attackieren.
    »Miss!« Der Wachmann trat neben sie. »Würden Sie bitte zurücktreten?«
    Ash erhob sich und kam zurück zu Parker. Er warf ihr einen erleichterten Blick zu.
    »Ich hab so was Ähnliches schon mal gesehen«, sagte der Mann. »In Südostasien. Damals zog über dem Meer ein Tropensturm auf, Hunderte von Meilen entfernt. Niemand hat etwas gespürt, aber alle Tiere waren ganz aus dem Häuschen. Ehe die ersten offiziellen Warnungen bei uns im Stützpunkt eintrafen, hatten sich drei Hunde gegenseitig zerfleischt.«
    »Libatique«, murmelte Ash.
    »Ist das der Mann, vor dem Ihr Vater sich fürchtet?«
    »Ja«, sagte Parker. »Und wahrscheinlich wird er nicht allein hier auftauchen.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen. Hier kommt niemand rein. Dafür sind wir ja da.«
    Parker und Ash folgten dem Wachmann durch eine Außentür ins Freie. Ein paar Sekunden lang atmeten alle nur die frische Luft ein und aus.
    Sie befanden sich auf einer weiten Rasenfläche. Vor ihnen lag der Waldrand, hinter den Bäumen erhoben sich grüne Hänge.
    »Was genau hat mein Vater zu Ihnen gesagt?«
    »Nur, dass wir niemanden auf das Gelände lassen sollen. Abgesehen von Ihnen natürlich.« Mit einem Seitenblick auf Ash fügte er hinzu: »Der Kollege, der das Tor überwacht, hat wohl angenommen, dass das auch für Ihre Begleitung gilt. Genau genommen lautete die Anweisung: absolut niemanden außer Ihnen, Mister Cale.«
    Parker unterdrückte seinen Ärger. Nach wie vor versuchte sein Vater, Parkers Leben zu kontrollieren.
    Ashs schmale Finger streiften flüchtig seine. Sie musste spüren, was in ihm vorging.
    »Belassen wir es vorerst dabei«, sagte er zu dem Wachmann. »Niemand betritt das Grundstück. Und behalten Sie die Tiere im Auge. Solange sie nicht übereinander herfallen, hat der Tierarzt Zeit bis morgen.«
    Damit ergriff er Ashs Hand, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, und ging gemeinsam mit ihr um das Haus herum zum Haupteingang.

26.
    »Ich brauch mal dein Handy«, sagte Ash, als sie den Vorplatz erreichten. Da war dieser kurze, etwas ungelenke Moment, in dem sie die Hände voneinander lösten, als wollte keiner von beiden der Erste sein. Parker hätte jetzt gern ihre Gedanken gelesen.
    »Sicher.« Er fummelte das Smartphone aus seiner Hosentasche, gab den Code ein und reichte es ihr. Sie lehnte sich gegen den BMW und begann, etwas einzutippen.
    »Suchst du Sturmwarnungen?«
    »Dieses Wort, das dein Vater erwähnt hat. Hekate. Mal sehen, was Wikipedia sagt.«
    Hin und wieder redete sein Vater seltsames Zeug – das hatte er ein

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