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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Leben lang getan. Manchmal zählte er aus dem Nichts heraus alte Automarken auf, nur weil sie ihm gerade durch den Kopf gingen. Oder Namen von Mitarbeitern; die wenigen, die er persönlich kannte.
    Es dauerte einen Moment, bis die Seite vollständig geladen war. »Wusste ich’s doch«, sagte Ash zufrieden und las vor: »›Griechisch-römische Göttin … blablabla … in Verbindung gebracht mit Wegkreuzungen, Toren und anderen Zugängen, Durchgängen, Licht in der Dunkelheit, Kindgeburt, Mondlegenden, dem Nachthimmel, der See, der Wildnis, den ruhelosen Toten, Hunden‹ … Hunden! … ›Schlangen, Heilung, giftigen Pflanzen, Magie und Hexerei.‹« Sie blickte auf. »Das ist so ziemlich alles außer Geschirrspülen.«
    Parker blickte sich vor der Villa um. Der BMW war das einzige Fahrzeug auf dem runden Vorplatz. Die holzverkleidete Fassade des Anwesens erhob sich vor ihnen wie die Palisade der Eingeborenen in King Kong . Auf der gegenüberliegenden Seite befanden sich der Waldrand und die Mündung der Auffahrt. Scheinwerfer waren in das Pflaster eingelassen, nach Sonnenuntergang beleuchteten sie das Gebäude. Auch die Rasenflächen rund um die Villa wurden nachts angestrahlt. Jetzt, am frühen Nachmittag, waren noch alle Lampen ausgeschaltet.
    »Hekate war eine Mondgöttin«, sagte Ash und tippte auf der Tastatur. »Erinnert dich das an was?« Sie scrollte mit der Fingerspitze nach unten. »Hier ist ein Eintrag aus einem Buch, Raising Hell . So eine Art Satanismuslexikon.« Als sie aufsah, lächelte sie, aber es sah aus, als hätte sie Zahnschmerzen. Parker fand das sehr süß. »Das Titelbild ist ein Totenschädel auf einem Pentagramm.«
    »Klingt nach seriösem Standardwerk.«
    »Also, hier: Ordo Templi Hecate . ›Gegründet in Pasadena, Kalifornien, führte diese ritual-magische Gesellschaft ihre Wurzeln zurück auf Aleister Crowley durch seinen Schüler …‹« Sie brach ab, murmelte wieder »Blabla« und überflog die nächsten Zeilen, bis sich ihr Gesicht aufhellte. »Hier ist die Rede von ›ritueller hypnotischer Magie‹.«
    »Ach, komm«, sagte Parker, »bitte.«
    »Warte: ›Der Ordo Templi Hecate gehörte nie zu den populärsten der kalifornischen Kulte, wurde aber bekannt durch die Mitgliedschaft vieler populärer Musiker. Frater Iblis Nineangel –‹« Ash blickte auf. »Das war das Pseudonym des Gründers. Also: ›Frater Iblis Nineangel zog sich aus der Öffentlichkeit zurück und ging Mitte der Siebzigerjahre nach Europa. Einige seiner Anhänger folgten ihm und ließen sich auf der portugiesischen Insel Madeira nieder. Nineangel selbst kehrte dem Kult den Rücken und tauchte unter. Sein Verbleib ist ungewiss. Gerüchten zufolge hielt er sich zuletzt in Südeuropa auf.‹« Ash ließ das Handy sinken. »Das war’s.«
    »Okay«, sagte Parker. »Und?«
    »Dein Dad hieß nicht zufällig mal so? Ich meine, ein Künstlername oder so was … Frater Iblis Nineangel?«
    »Doch, natürlich. Und beim Essen hat er manchmal durch Gedankenkraft Gabeln verbogen und den Tisch schweben lassen.« Seufzend nahm er das Handy wieder entgegen. »Mein Vater könnte der beste Freund von Charles Manson gewesen sein. Ich weiß so gut wie nichts über seine Zeit in Kalifornien. Er hat mir nur das erzählt, was er für das Wichtigste hielt, um … ich schätze, damit ich Bescheid weiß, falls Libatique das Gleiche mal bei mir versucht. Oder … was weiß ich.«
    Er kam sich ziemlich unnütz vor und musste sich schon seit ihrer Ankunft zusammenreißen, um nicht in alte Gewohnheiten zu verfallen. Die Bar der Villa war immer gut bestückt. Noch vor ein paar Tagen hätte er sich irgendwas genehmigt, um sich nicht weiter den Kopf zerbrechen zu müssen.
    »Dieses Mondhaus«, sagte Ash. »Zeigst du’s mir?«
    »Vorhin wolltest du noch so schnell wie möglich von hier verschwinden.«
    »Die Alternative sind Sehenswürdigkeiten an der Küste. Und ich glaube nicht, dass die mir weglaufen.«
    Ihre Augen waren von feinen bronzefarbenen Linien durchzogen, ein schillernder Strahlenkranz um ihre Pupillen. Hatte er in den vergangenen anderthalb Tagen schon einmal so nah vor ihr gestanden, fast Gesicht an Gesicht?
    »Ich will dich nicht noch tiefer in diese Sache hineinziehen«, sagte er. »Erst recht nicht, solange ich selbst nicht weiß, was hier gespielt wird. Ich bin hergefahren, um mit meinem Vater über die Pressekonferenz zu reden, über meine Entscheidung, keine Filme mehr für ihn zu drehen. Und jetzt reden wir

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