Asche und Phönix
berühmter, als ich es je hätte sein können … Er wird dich satt machen wie kein anderer zuvor!«
Parker verschlug es den Atem.
Libatique lachte wie jemand, dem ein besonders perfider Streich gelungen war. Hatte er erreicht, was er wollte? Ein Geständnis?
Der Stock löste sich von Cales Auge. Es war feuerrot, aber der Augapfel schien intakt zu sein. Wortlos trat Guignol einen Schritt zurück.
»Hast du das gehört?« Libatiques lauernder Tonfall galt Parker. »Mein Pakt mit deinem Vater mag ihn süchtig nach Ruhm gemacht haben, aber dass auch du die Symptome manchmal spürst, das ist nicht meine Schuld. Das hast du von ihm geerbt. Und jetzt ist er bereit, dir weit Schlimmeres anzutun!«
Parker sah nur seinen Vater an. »Dad, ist das wahr? Bin ich hier, damit du mich ihm ausliefern kannst? Und im Austausch für was? Noch mehr Erfolg?«
»Für ein Leben ohne Angst«, sagte sein Vater leise. »Dir wird er nichts tun, wenn du dich an die Vereinbarung hältst.«
»Sein Plan«, sagte Libatique mit dem triumphalen Gestus eines Showmasters, »war es, dich mir an seiner statt anzubieten – als Wiedergutmachung für die letzten vier Jahrzehnte! Vierzig Jahre, in denen er sich erst hinter Lügen versteckt hat, dann hinter dir , mein Junge!«
»Hinter mir? Wie –«
»Er hat dich ein Leben lang ausgenutzt und belogen, Parker. Und jetzt will er, dass wir beide einen Pakt schließen. Dafür soll ich auf meine Forderungen verzichten und ihm vergeben.« Libatiques Blick fixierte abermals Cale. »Als ob es so einfach wäre.«
»Dad?« Parkers Stimme war jetzt ganz ruhig. Vor diesem unfassbaren Ausmaß an Egoismus kapitulierte sogar seine Wut.
»Sag es ihm, Royden!«, forderte Libatique. »Und wenn du einmal dabei bist, warum erzählst du ihm dann nicht die ganze Geschichte?«
»Nein«, flüsterte Cale.
»Was meint er?«
Libatique beugte sich vor, bis sein Gesicht fast das von Cale berührte. Sein Grinsen unterschied sich kaum mehr von der Fratze seines Dieners. »Wollen wir es ihm verraten, Royden? Wollen wir ihm nicht alles verraten?«
Bevor Libatique eine Antwort erzwingen konnte, ruckte im Hintergrund Guignols entstelltes Gesicht herum. Er horchte auf etwas, ergriff sein Schlachtermesser und hastete wortlos aus dem Raum.
35.
Ash hörte ein Ticken wie von einem Zeitzünder in ihren Ohren. Es schien lauter und schneller zu werden. Mit jedem Schritt, den sie in das Dämmerlicht jenseits der Tür machte, hämmerte ihr Pulsschlag heftiger hinter ihren Schläfen.
Dies also war die Sammlung seines Vaters, von der Parker gesprochen hatte. Und weil Royden Cale nun einmal Royden Cale war, hatte sie mit restaurierten Oldtimern gerechnet, mit antiken Standuhren oder abstrakten Skulpturen.
Nicht mit Karussells.
Kinderkarussells.
Die Halle war zwei Stockwerke hoch und erstaunlich weitläufig. Von außen fügte sie sich nahtlos in das Konstrukt aus Holzwürfeln ein; nicht einmal beim Blick aus dem Mondhaus hatte Ash sie bemerkt. Die Wände waren mit gerafftem rotem Samt verhängt wie in einem alten Kinopalast. Es gab kein Tageslicht, stattdessen ein kompliziertes System aus Lampen und Scheinwerfern an einem Stahlgitter unter der Decke. Bis auf eine Notbeleuchtung aus kleinen Glühbirnen waren sie ausgeschaltet.
Die Karussells standen so eng beieinander, dass Ash nicht erkennen konnte, um wie viele es sich handelte. Acht, vielleicht neun. Alle waren zweistöckig und reichten hinauf bis zur Beleuchtungsanlage. Kunstvoll geschnitzte Holzpferde waren zu einem starren Reigen auf Eisenstangen montiert, aber es gab auch andere Reittiere, auf denen sich einst Kinder im Kreis gedreht hatten: Drachen, die ihre Fangzähne zeigten; Elefanten, glitzernd geschminkt wie in Tausend-undeiner Nacht; Königstiger, die gesattelten Pfauen nachjagten; sogar Bienen, groß wie Ponys.
Die Karussells waren aufwendig bemalt, ihre Balustraden fein ziseliert und alle Metallteile poliert, als würden jeden Augenblick wieder Besucherscharen einfallen und diesen Ort zum Leben erwecken.
Neben dem Eingang befand sich ein handgroßer Kippschalter an der Wand, der wohl die Strahler an der Decke aktivieren würde. Ash schloss leise die Tür hinter sich und machte sich daran, die düstere Halle zu durchqueren. Eilig huschte sie zwischen den Karussells hindurch und kämpfte gegen den Wunsch an, weitere Fotos zu machen. Bizarre Schatten lagen über den Aufbauten. Aufgemalte Augen starrten ihr nach, hölzerne Schädel überragten sie.
Sie hatte zwei
Weitere Kostenlose Bücher